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Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Titel: Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Fleckchen. Dagegen sah die Couchgarnitur so aus, als gehörte sie gar nicht hierher. Sie wirkte unbenutzt und abweisend. Nicht einmal ein Kissen war zerknautscht. Keller vermutete, dass der alte Mann viel Zeit allein verbrachte.
    »Setzen Sie sich doch«, sagte Carl Beeke.
    Keller legte seine Jeansjacke ab und nahm auf dem harten Polster Platz. Ein seltsames Gefühl. Es kam ihm vor, als würde er die Couch deflorieren. Nein, hier saß sonst niemand.
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass mich die Sache überrascht«, sagte Carl Beeke. »Dass ich nicht glauben kann, dass Siegfried einen Mord begangen hat, und dass mich das völlig verwirrt. Aber so ist es leider nicht.« Er fixierte Keller mit seinen wasserblauen Augen. »Siegfried hat doch diesen Mord begangen, nicht wahr?«
    Keller beschloss, großzügig mit den Tatsachen umzugehen.
    »Ja, das hat er«, sagte er bestimmt.
    Schließlich war er hier, um herauszufinden, was dieser Mann zu erzählen hatte. Wen interessierte es da schon, dass sie kaum etwas über die Geschehnisse von heute Morgen wussten. Sie hatten ja noch nicht einmal die verbrannte Leiche identifiziert.
    »Es sieht im Moment zumindest ganz danach aus«, schob er hinterher.
    Der alte Mann hob eine Augenbraue. Keller wurde klar, dass er ihn durchschaute. Aber offenbar spielte das keine Rolle, denn er lehnte sich zurück und begann zu erzählen.
    »Die Familien lagen schon immer im Streit, nicht erst seit Siegfried und Alfons. Das war schon in der Elterngeneration so und in der ihrer Großeltern. Wahrscheinlich geht so manch eine Familienfehde bis in den Dreißigjährigen Krieg zurück. Wer kann schon sagen, was da der ursprüngliche Auslöser war? Ist der Wurm einmal drin, gibt es in jeder Generation neue Anlässe, sich zu bekriegen.«
    Keller wartete. Da Carl Beeke nicht weitersprach, fragte er: »Aber einen Mord hat es bei den beiden Familien bisher noch nicht gegeben, oder doch?«
    »Nein. Einen Mord hat es noch nie gegeben. Aber die Geschichte ist kompliziert. Und sie betrifft zunächst einmal die Väter der beiden. Deshalb muss ich ein wenig ausholen. Alfons Schulte-Steins Vater hat nämlich vor langer Zeit etwas getan, was sehr folgenreich für Siegfrieds Kindheit war.«
    »Erzählen Sie.«
    »Ich war damals vierzehn Jahre alt. Sechsunddreißig war das, drei Jahre vor dem Krieg. Es war … na, Sie wissen schon. Es war eine andere Zeit. Der Reiterverein, der Schützenverein, überall begann die Gleichschaltung. Am Anfang war es so, dass die Bauern hier nichts mit den Nazis zu tun haben wollten. Das war katholisches Gebiet, fest in der Hand der Zentrumspartei. Es ging mit den Knechten und den ungebildeten Raufbolden los, die in Düstermühle SA-Treffen abhielten und sich lautstark zur Partei bekannten. Und danach hatten die Bauern ja erst recht keine Lust mehr auf die Partei. Aber mit der Zeit änderte sich alles. Natürlich hatten die Nazis auch die Dörfer hier fest unter Kontrolle. An jedem noch so abgelegenen Flecken im Reich wehte die Hakenkreuzflagge, so war das damals. Die Bauern, die gerne auf dem Schützenfest einen hoben, taten das nun auf dem nationalsozialistischen Kriegerfest. Und die Bauern, die vorher im Reiterverein waren, ritten nun im nationalsozialistischen Reitersturm. Natürlich wurden nicht alle zu Nazis. Aber die, die von der neuen Zeit nichts wissen wollten, hielten sich bedeckt. Es gab zwei Lager: das der Nazis und ihrer Mitläufer und das von denen, die nichts damit zu tun haben wollten und lieber schwiegen.«
    »Lassen Sie mich raten. Schulte-Stein und Wüllenhues gehörten nicht demselben Lager an.«
    »Der alte Schulte-Stein war anfällig für die Macht, und er hat Karriere gemacht unter den Nazis. Das war mit der richtigen Gesinnung damals nicht schwer. Unter anderem war er Bürgermeister von Düstermühle. Aber wissen Sie, es gibt Leute, denen man besser keine Macht über andere gibt.«
    »Und was war mit Wüllenhues?«
    »Wüllenhues war ein sturer alter Bauer, der sich nicht den Mund verbieten lassen wollte. Er hat seine Meinung zwar nicht laut herausposaunt, aber er hat eben auch nicht hinterm Berg gehalten damit.«
    »Schulte-Stein hat ihn denunziert?«
    »Er hat sich persönlich dafür eingesetzt, dass Wüllenhues abgeholt wird. Teils wohl aus Verblendung, teils aber auch wegen der alten Familienfehde.«
    »Was ist passiert?«
    »Wüllenhues war ein halbes Jahr fort. Als er zurückkehrte, war er verändert. Krank. Und verschlossen. Er hat seinen Hof

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