Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
möchtest, koche ich dir eine Hühnersuppe. Nach so einem Tag wird das genau das Richtige sein.«
Renate blickte sich um. »Wo ist Bodo?«
»Ach so, ich dachte, er wäre schon los. Na, dann muss er noch irgendwo sein«, sagte Inge. »Vielleicht bringt er ein paar Gäste zum Parkplatz. Oder er ist …« Sie wandte sich an ihre Kinder, die stumm und routiniert aufräumten. »Habt ihr Bodo gesehen?«
»Nein. Ist er denn nicht nach Hause gefahren?«
Renate war verwirrt, doch Inge lächelte wieder.
»Wir werden ihn schon finden«, sagte sie.
War Bodo etwa losgefahren, ohne sich von ihr zu verabschieden? Renate wollte das nicht glauben.
Sie nahm den Mantel und zog ihn über. Inge brachte sie zum Ausgang.
In dem Moment flog die Tür auf, und Bodo trat ein. Er überblickte den Schankraum.
»Sind schon alle weg?«, fragte er.
»Wo warst du denn, Junge?«
»Ich …« Es schien ihm etwas peinlich zu sein. »Ich brauchte einfach kurz meine Ruhe. Die vielen Leute, du weißt schon. Ich war hinten an der Kegelbahn und habe geraucht. Hast du mich vermisst?«
»Nein, nein. Ich … Können wir jetzt nach Hause fahren?«
»Natürlich, Mutter. Komm, ich bring dich zum Wagen.«
Sie verabschiedete sich von Inge Moorkamp, die ihr versprach, sie bald besuchen zu kommen, und folgte Bodo zum Parkplatz.
Der Nordwind hatte ein klein wenig nachgelassen. Vielleicht war das ja ein gutes Zeichen. Sie holte tief Luft. Dann stutzte sie.
»Was ist los, Mutter? Jetzt komm schon.«
Bodo stand hinter ihr und hielt die Wagentür auf. Doch Renate hörte nicht auf ihn. Da war etwas in der Luft. Sie schnupperte. Es roch nach Feuer.
Renate trat an den Rand des Parkplatzes und sah zum Ort hinüber. Tatsächlich. Dort waren Flammen zu sehen.
»Bodo! Ruf die Feuerwehr, Bodo! Es brennt.«
Sie kniff die Augen zusammen. Es gab keinen Zweifel.
»Mein Gott! Es brennt bei Rosa Deutschmann!«
14
Über Nacht hatte es geschneit. Wiesen und Felder waren von einer weißen Schneeschicht überzogen. Die Baumwipfel leuchteten hell unter dem grauen Himmel. Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt würde sich der Schnee allerdings nicht lange halten. Die Straßen waren schon frei und voller Pfützen. Trotzdem bildeten sich überall lange Autoschlangen, und in jeder Ortschaft waren die Straßen völlig verstopft. Wusste der Himmel, woran das lag, aber es war in jedem Jahr das Gleiche, wenn der Winter einbrach.
Hambrock störte sich allerdings nicht daran. Er hatte es nicht eilig. Im Gegenteil. Er ließ sich treiben. Die Lüftung surrte, die Autoheizung lief auf Hochtouren, und leise Jazzmusik erfüllte den Wagenraum. Es war, als befände er sich in einer Kapsel. Das schmuddelig kalte Wetter vor der Windschutzscheibe bekam beinahe etwas Unwirkliches.
Hinter den Feldern tauchte der Kirchturm von Düstermühle auf. Er hatte erst am Morgen erfahren, was passiert war. In der Klinik hatte er sein Handy ausgeschaltet, trotz Bereitschaft und laufender Ermittlung. Ihm würde schon eine Ausrede einfallen. Der Akku wäre leer oder das Handy kaputt, irgendwas.
Es war richtig gewesen, in der Klinik zu bleiben. Zwar hatte er Birgit erst am Morgen zu Gesicht bekommen, und auch nur für ein paar Minuten, weil die Schwester meinte, sie bräuchte Ruhe und könnte bloß kurz Besuch empfangen. Aber dafür hatte er mit seiner Mutter gesprochen. Sie hatten die Nacht im Aufenthaltsraum verbracht, zwischendrin ein paar Stunden in unbequemer Haltung geschlafen und dann wieder miteinander geredet. Meist ging es darum, sich gegenseitig zu versichern, dass Birgit durchkommen würde. Sie würde es schon schaffen, sie war eine Kämpferin. Natürlich glaubten beide kaum noch daran, dafür war Birgits Zustand zu kritisch. Doch sich gegenseitig Hoffnung zuzusprechen machte es leichter, das Unausweichliche anzunehmen.
Hambrock fühlte sich müde und erschöpft, und sein Nacken war von der unnatürlichen Schlafhaltung verspannt. Trotzdem. Da war eine sonderbare Ruhe, die ihn erfasst hatte. Er spürte seine Trauer. Einen Moment hatte er überlegt, sich einfach krankzumelden. Doch seine Mutter versprach, ihn sofort anzurufen, sollte sich Birgits Zustand ändern.
Also hatte er sich entschlossen, doch ins Präsidium zu fahren. Wo in seiner kurzen Abwesenheit eine Bombe eingeschlagen hatte: Es gab ein weiteres Mordopfer.
Düstermühle war an diesem Morgen wie ausgestorben. Hambrock bog in eine kleine Straße mit Einfamilienhäusern. Vor einem Haus am Ende der Straße standen ein
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