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Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)

Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)

Titel: Duft der Unschuld - Tennington (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Jaeger
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leise, „versuch doch wenigstens, dich zu konzentrieren, ja?“
    Sein Kopf ruckte zu mir herum und er musterte mich erschrocken, als wäre ihm jetzt erst wieder klargeworden, dass ich neben ihm saß.
    „Etienne, bitte. Du musst das morgen draufhaben!“
    „Ich … kann nicht. Ich kapiere das einfach nicht! Mann, Yves, ich kann die französische Revolution mit allen wichtigen Beteiligten und allen nennenswerten Daten rückwärts auf dem Reisbesteck spielen, aber ich …!“ Er brach ab und sank in sich zusammen.
    Unwillkürlich legte ich meine freie Hand auf seine Schulter. „Du schaffst das, du bist doch nicht blöd!“
    „Ich schaffe gar nichts!“, fauchte er und schlug das Buch mit einem Knall zu. „Es will nicht in meinen Kopf hinein und das, was drin sein sollte, kommt nicht heraus! Da ist … einfach kein Platz …“
    Mit viel Mühe unterdrückte ich den Impuls, ihn an mich zu ziehen und zu trösten. Es würde nichts bringen und irgendwie hatte ich den Eindruck, es würde alles nur verschlimmern. Deshalb stand ich auf und sagte: „Komm, wir gehen an die frische Luft. Zieh deine dickste Jacke und warme Stiefel an.“
    Er sah auf und nickte schwerfällig, dann erhob er sich und ging zu seinem Kleiderschrank.
    „Ich ziehe mich schnell um, bis gleich.“ Ich beeilte mich, holte Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe, schlüpfte in meine gefütterten Hikingboots und kam wieder aus meinem Zimmer, als Etienne ähnlich eingepackt in seiner Tür erschien.
    Er sagte nichts, wirkte abwesend und folgte mir, als ich vorausging.

    ~*~

    Es hatte heute geschneit, Mitte November in diesen Breitengraden wohl trotzdem eine Seltenheit, wenn man das Inselklima bedachte. Etienne stapfte neben mir her über die weiße Wiese hinab zum See. Ich streckte ihm meine Hand hin und er ergriff sie , ohne zu zögern. Ein weiterer Beweis für seine Konfusion.
    Und ich musste dringend herausfinden, was genau ihn so durcheinanderbrachte. Es konnte doch nicht allein daran liegen, dass wir getrennt waren.
    Irgendwelche Gedanken trieben ihn um und verhinderten nachhaltig alles andere. Natürlich wollte ich ihm helfen, denn erstens fiel das eindeutig in die Rubrik ‚beschützen‘ und zweitens tat er mir unendlich leid!
    Trotz der dicken Handschuhe, die wir trugen, spürte ich sein Zittern. An der Kälte konnte es nicht liegen, so kalt war es nämlich gar nicht. Die Schneedecke ließ unsere Schritte knirschen, ich sah zu ihm und hielt ihn fest, als er ausrutschte.
    Unsere Nachhilfestunde hatte nach dem Dinner begonnen und es war längst dunkel hier draußen. Ich musste verdammt gut aufpassen, wohin wir liefen. Der Schnee half dabei, aber mehr noch meine Augen.
    „Warte kurz“, bat ich und er blieb wortlos neben mir stehen. Ich blinzelte und konnte einen kleinen Aufschrei nicht mehr verhindern, als der Schnee mich mit plötzlicher Helligkeit blendete. Nachtsichtaugen sind eine echt coole Sache, aber die kleinen Kristalle am Boden reflektierten auch das letzte bisschen Restlicht und brannten sich funkelnd in meine Netzhaut, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Jetzt musste ich nur verhindern, dass ich Etienne ansah. Zumindest, wenn ich nicht wollte, dass er schreiend davonrannte und sich den Hals brach.
    Er hatte natürlich schon eine Menge gesehen und erlebt, aber dass meine, wie er sie nannte, Jadeaugen leuchten konnten und mir eine perfekte Nachtsicht ermöglichten, würde ihn ganz sicher erschrecken.
    „Wir können weitergehen, bleib bitte dicht bei mir, ja?“
    Ich hoffte, dass er endlich mal einen Ton von sich geben würde, denn ein Nicken konnte ich nicht sehen, solange ich mein Gesicht etwas mehr als vielleicht nötig abwandte.
    „Wohin gehen wir?“, brachte er irgendwann hervor. Wir waren schon eine gute Viertelstunde unterwegs und hatten das erste Waldgebiet jenseits des Sees erreicht.
    „Wir gehen einfach. Kein Ziel, keine festgelegte Route“, antwortete ich.
    „Und wieso gehen wir einfach?“
    Ich musste lächeln über diese Frage. Sie klang ganz so, als wollte er mir mitteilen, für wie idiotisch er meine Idee, respektive diesen Spaziergang, hielt.
    Ich umschloss seine Hand etwas fester. „Achtung, wir müssen hier hintereinander über einen Baumstamm klettern, der Graben ist tief, halt dich gut fest und sieh nicht nach unten.“
    Der Graben war nicht besonders breit, aber das war auch der Baumstamm nicht und es war nicht ganz ungefährlich, ihn hier in tiefster Dunkelheit hinüberzulotsen. Was nützte es, dass ich alles

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