Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
wedelte mit einer Ledermappe, die er mir auf den Schoß warf, nachdem er auf den Fahrersitz gesunken war. Ich sah hinein und fand nicht nur einen Satz neue Papiere für uns, sondern gleich mehrere.
„Frederik Wiener?“, las ich auf einem davon. „Und Klaus Wiener?“
Zachary nickte. „Da drin sind mindestens fünf neue Vater-Sohn-Gespanne für uns. Wir werden am nächsten Flughafen mit den neuen Papieren Tickets lösen und nach Südamerika fliegen, dort haben wir Zeit, die Spuren zu legen und dann fliegen wir zu Yves.“
Das war der Plan. In Brasilien würden wir mit Yves’ Reisepass einen Flug von Kanada nach Island buchen, mit Zacharys von Los Angeles nach Moskau. Das geheime Labor, in welchem Yves und dessen Vater sich derzeit aufhielten, lag im Norden Deutschlands. Zumindest, wenn meine Geographiekenntnisse mich nicht täuschten. Den Namen der Stadt hatte Zachary mir gesagt, aber ich hatte ihn vergessen.
Seltsam, wie konnte ich ausgerechnet den Ort vergessen, an dem Yves sich aufhielt? Mein Gegenstück, mein Ein und Alles. Ich grinste in mich hinein. Meine bessere Hälfte …
„Ich habe Hunger“, verkündete ich und Zachary nickte.
„Ich auch. Wir finden hier sicher ein kleines Diner, dann fahren wir weiter nach Westen.“
~*~
Der Flughafen war nicht besonders groß, aber wir konnten von hier aus nach Mexiko fliegen, dann weiter nach Brasilien. Es waren stressige und zugleich langweilige Tage, die wir in Flugzeugsesseln, in Wartehallen und den Sitzen von Leihwagen verbrachten.
Ich überlegte, wie das alles geworden wäre, wenn ich allein hätte fliehen müssen. In Zacharys Nähe hatte ich wenigstens nicht das Gefühl, von der gesamten Welt verlassen worden zu sein …
„Danke“, murmelte ich und erntete einen verwunderten Blick von links. Zachary saß im Hotelrestaurant neben mir.
„Wofür?“
„Na, für alles. Ich bin wirklich froh, dass ich das hier nicht noch einmal allein durchstehen muss …“
„Ich hätte dir das so gern erspart … Ich frage mich noch immer, wer uns diese Warnung zugeschickt hat. Wer wusste von deiner wahren Identität und auch, dass man dich jagt?“
Tja, das war die eine große Frage, die ich mir schon seit unserem übereilten Aufbruch stellte. Der Text war aussagekräftig und doch nichtssagend gewesen. Aber meine Familie hätte ihn niemals abgeschickt. Die warnten nicht, die töteten einfach. „Vielleicht dein Onkel?“, schlug ich vor.
„Hm, du meinst, erst gibt er die Infos weiter, dann warnt er uns noch?“
„Vielleicht hat er gar nicht absichtlich geplaudert. Die Sucher sind … sehr effektiv … im Beschaffen von Informationen.“ Ich spürte einen Schauder. Das grenzte an die unverschämteste Untertreibung, die ich jemals ausgesprochen hatte.
„Sie gehen über Leichen, das würde bedeuten, mein Onkel lebt nicht mehr. Aber das tut er noch.“
Ich seufzte. „Wir werden das nie rauskriegen, Zac. Letzten Endes spielt es auch gar keine Rolle.“
„Interessant wäre es dennoch, oder nicht? Ich frage mich, ob wirklich nur deine Familie und die Leute, für die ich arbeite, in diesem Spiel ihre Einsätze gemacht haben.“
„Wenn es doch mal ein Spiel wäre …“
Zachary verschwand zur Toilette und ich sah mich in dem Restaurant, welches im Erdgeschoss des Hotels mit großen Fensterfronten zur Straße und in einen wunderschönen Garten gelegen war, um. Draußen schien die Sonne brennend heiß vom Himmel. Hier spürte man so gut wie nichts vom Winter, der Europa bereits fest im Griff hatte.
In drei Tagen würde Weihnachten sein. Nicht, dass dieses Fest für mich irgendeine Bedeutung hätte, aber ich vermisste Yves noch mehr als sonst.
Irgendwie machte mich das alles hier depressiv. Ich blickte wieder auf meinen leeren Teller und nahm mein Glas, um einen Schluck Wasser zu trinken, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm und es nur noch schaffte, mich vom Stuhl auf den Boden fallenzulassen. Ein ohrenbetäubender Krach zerriss die vorweihnachtliche Geschäftigkeit von Besteck- und Geschirrklappern. Eine Bombe! Eine gottverdammte Bombe mitten in Paraìba!
Zachary, wo war Zachary? Ich spürte das Gewicht des zusammengebrochenen Tisches auf mir und versuchte, mich auf allen vieren darunter hervorzuarbeiten. Ich musste in Richtung Toiletten gelangen, aber es fiel mir schwer, unendlich schwer, mich überhaupt zu bewegen. Überall lagen Glassplitter von den Fenstern. Hätten die nicht nach draußen fliegen müssen? Der Gedanke
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