Duft des Mörders
irgendeine dahergelaufene Wichtigtuerin! Er hatte es so weit getrieben, dass sie die Fassung verloren und sich auf sein Niveau herabbegeben hatte. Am meisten ärgerte sie, dass ihr Temperament mit ihr durchgegangen und sie schließlich aus seinem Büro gestürmt war, ohne irgendetwas erfahren zu haben. Frank war derjenige, der vielleicht ein wenig Licht in den Mord an Adam bringen konnte, und sie ließ ihn einfach so davonkommen.
Sie winkte dem Wachmann an der Einfahrt zum Friedhof zu und fuhr langsam weiter, bis sie den Zufahrtsweg ganz oben auf der Anhöhe erreichte. Sie nahm das Bukett aus weißen Rosen – den Lieblingsblumen ihrer Mutter – und stieg aus. So früh am Morgen herrschte auf Carmel Hill völlige Stille. Das einzige Geräusch war das Knirschen des Kieses unter ihren Stiefeln, als sie den gewundenen Weg entlangging.
So wie immer, wenn sie das Grab ihrer Mutter besuchte, schnürte sich ihre Kehle zu, als sie die Inschrift auf dem Grabstein las: ‚Elaine Meyerson – Geliebte Ehefrau und Mutter – 1939-1999‘. Sie kniete nieder und legte die Rosen vor den Stein aus poliertem grauen Marmor. Die Erinnerungen an jene schreckliche Nacht waren immer noch so lebendig, dass sie sich oft fragte, warum sie immer wieder herkam und sich diesem Schmerz aussetzte. Aber jedes Mal, wenn sie darum kämpfte, nicht herzufahren, fühlte sie sich umso stärker zu diesem Ort hingezogen. Das Verhältnis zwischen ihnen war so eng gewesen, wie es zwischen Mutter und Tochter nur sein konnte. Daran änderte sich auch nichts, als Jenna aus dem Elternhaus auf den Campus der New York University umzog.
So eng ihre Bindung aber auch war, erfuhr Jenna nie, warum sich ihre Eltern nach dreiunddreißig Ehejahren trennten. Von beiden erhielt Jenna die schwammige Erklärung, sie hätten sich einfach auseinander gelebt. Das wäre ein Grund gewesen, den Jenna hätte akzeptieren können, aber sie glaubte ihren Eltern nicht. Immer wieder versuchte sie herauszufinden, ob ein anderer Mann oder eine andere Frau im Spiel gewesen war. Doch Elaine und Sam verneinten das beharrlich und blieben bei ihrer Erklärung.
„Warum hast du ihn bloß verlassen, Mom?“ murmelte Jenna, während ihr die Tränen kamen. „Warum habt ihr nicht miteinander geredet? Warum habt ihr nicht versucht, eure Ehe zu retten? Dann wärst du jetzt noch bei uns.“
Eine Viertelstunde verharrte sie am Grab, während in ihr die Wut aufstieg. Sie hasste es, so zu empfinden. Doch egal, wie sehr sie sich dagegen sträubte, sie gab ihrer Mutter immer noch die Schuld an der Trennung und an ihrem Tod. Ja, es war Elaines Schuld, dass Jenna und Sam nun allein waren und um sie trauern mussten.
Sie hörte hinter sich Schritte und drehte sich um. Ihr Vater kam ebenfalls mit einem Blumenbukett zum Grab. Das stolze Lächeln vom Abend war einem düsteren Ausdruck gewichen. Jenna wusste, warum. Sam hatte nie aufgehört, seine Frau zu lieben, weder nach der Scheidung noch nach ihrem Tod. Jedes Mal, wenn Jenna sah, wie groß seine Trauer war, wunderte sie sich, warum er nicht hartnäckiger um Elaine gekämpft hatte. Auch das war ein Punkt, über den Sam nicht reden wollte.
Er stellte sich zu ihr und legte seine Blumen neben die von Jenna. „Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier finden würde.“
Jenna wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich nehme an, du hast die Nachricht über Adam gehört.“
„Marcie rief mich an.“ Sam schüttelte den Kopf. „Er wird mir fehlen. Ich war zwar nicht immer mit ihm einer Meinung, aber ich war trotzdem stolz auf ihn. Und ich war ihm sehr dankbar, wie er dir nach dem Tod deiner Mutter beigestanden hat.“
Einen Moment lang schwiegen sie, und jeder hing seinen Gedanken nach.
„Marcie erwähnte, dass du bei ihr warst“, sagte er schließlich.
„Hat sie dir gesagt, dass ich ihr auf die Nerven gehe?“
Sein Blick war auf den Grabstein gerichtet. „Sinngemäß ja.“ Nun sah er sie an. „Und du sollst wissen, dass ich mit ihr völlig übereinstimme. Ich weiß, du und Adam, ihr seid zusammen einen langen Weg gegangen, aber seinen Mörder zu finden ist nicht deine Aufgabe, Honey.“
„Willst du nicht wissen, wer Adam umgebracht hat?“
„Natürlich will ich das.“
„Dann musst du mir glauben, wenn ich dir sage, dass Adam niemals nachts allein in den Central Park gegangen wäre. Er war viel zu vernünftig, als dass er etwas derart Dummes getan hätte.“
„Jemand könnte ihn dazu gezwungen haben.“
„Ein hinkender
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