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Dummendorf - Roman

Dummendorf - Roman

Titel: Dummendorf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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beiden Alten. Fima hockte auf einem umgekippten Eimer und lockerte die Erde um majestätische weiße Lilien herum. Fim saß auf einem thronähnlichen alten Holzsessel mit geschnitzten Armlehnen und hoher Rückenlehne. Auf dem Schoß hielt er eine große Pappe, und was er tat, war hier auf dem Land so unerwartet, dass Mitja seinen Augen nicht traute.
    Der neunzigjährige Fim zeichnete. Gleichmäßig und geübt, als mähte er Gras. Seine rechte Hand war bunt von den Kreiden. Die Linke, in einen Lederhandschuh gehüllt, lag unbeteiligt auf der Pappe.
    Mitja reckte den Hals aus dem Gebüsch, das ihn verbarg. Die aufgestörten roten Johannisbeeren fingen den Sonnenstrahl ein und warfen einen rubinroten Schimmer auf die Zeichnung. Der Regenbogen, den der Alte schraffierte, erbebte und schien zu atmen.
    »Bleib so stehen«, sagte Jefim, ohne sich umzudrehen. »Schau, was für eine Schönheit du angerichtet hast.«
    Serafima hob den Kopf von den Lilien und lächelte.
    »Sind Sie Maler?«, fragte Mitja, gehorsam in den Johannisbeeren erstarrt.
    »Sie lässt mich nicht los, diese Welt«, begann der Alte gemächlich, als wollte er eine lange Byline singen. »Ich bin alt wie der Wald, bald hundert, aber sie ist noch immer wie am ersten Schöpfungstag. Es raubt mir den Atem. Und trägt mich hinauf zu den Wolken. Pass auf, hör zu. Zwei Stare verließen ihren diamantenen Kasten. Lange flogen sie, bis sie den siebten Himmel erreichten. Der siebte Himmel, das ist die letzte Farbe des Regenbogens, dort ist alles violett: die Sonne und die Wolken. Nur die Stare waren schwarz. Da beschlossen sie, über die Grenze hinaus zu fliegen. Um zu erfahren, was dann kommt. Vielleicht wieder ein roter Himmel und danach ein orangegelber, ein neuer Regenbogen. Doch der achte Himmel war weiß. Plötzlich wurden auch die Stare weiß. Oder durchsichtig, und durch sie hindurch floss das weiße Licht des achten Himmels. Sie sahen einander nicht mehr und stießen Rufe aus, um sich nicht zu verlieren. Die beiden Stimmen zerdehnten sich, wurden immer dünner und lösten sich bald im Milchweiß auf. Doch der Himmel ging immer weiter.«
    Jefim verstummte, und der Garten war erfüllt von Insektengesumm. Serafima nickte und lächelte vor sich hin. Auf den gesteppten Schultern ihrer Wattejacke saßen symmetrisch zwei Schmetterlinge mit goldenen Augen auf den Flügeln.
    Mitja war das Schweigen nicht gewöhnt, er fühlte sich davon bald überschwemmt und verspürte einen unaufhaltsamen Rededrang, obwohl alles ihm sagte, dass er jetzt besser nicht sprechen sollte.
    »Und wie endet Ihre Geschichte?«, fragte er beinah gegen seinen Willen.
    »Sie denkt gar nicht daran, zu enden. Sie fliegen noch immer. Nur kann man sie hier nicht mehr hören.«
    »Und wann kommen sie an?«
    »Niemals. Der achte Himmel ist unendlich.«
    »Sind Sie ein Märchenerzähler?«, fragte Mitja, der nicht wusste, was er sagen sollte.
    Plötzlich beugte sich der Alte von seinem Thron herunter. »Fima, ist noch Dickmilch da?«
    Serafima konnte ihren Blick nicht gleich fokussieren, als kehrte sie vom achten Himmel zurück und müsste erst alle Farben des Regenbogens – eine nach der anderen – durchqueren. Schließlich war sie wieder sie selbst, sie zuckte zusammen – und die Schmetterlinge flogen widerwillig von ihrer Wattejacke auf und landeten in den Blumen.
    »Komm, liebes Kind, wir wollen frühstücken.« Serafima streckte Mitja die zitternden Hände entgegen. »Hilf mir hoch.«
    Vorsichtig und unbeholfen, als habe er Angst, sie zu zerbrechen, half Mitja der Alten auf die Beine. Sie kam ihm fast schwerelos vor, und dass sie so leicht war wie ein Kind, schnürte ihm die Kehle zu.
    Langsam gingen sie durch den Garten, und Mitja fragte, um den Splitter des Mitleids aus seinem Herzen zu ziehen:
    »Warum blüht bei Ihnen alles gleichzeitig?«
    »Wir kümmern uns um die Blumen wie um Kinder. Deshalb blühen sie so rasch auf. Und lassen sich Zeit mit dem Vergehen.«
    »Die Leute denken, Opa Jefim verhext sie.«
    »Die einen halten ihn für einen Hexer, die anderen für bekloppt.« Serafima lachte und tippte sich an die Stirn.
    »Warum?«
    »Wir bauen keine Kartoffeln an. Wir haben keinen Fernseher. Wir zanken uns nicht, sind das siebte Jahrzehnt ein Herz und eine Seele. Was noch. Wir trinken nicht, machen uns keine Sorgen wegen der Rente, nehmen das Alter nicht schwer. Wir sind glücklich. Das können die Leute schlecht ertragen.«
    »Sie sind glücklich?«
    »Aber ja, leben ist doch eine

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