Duncans Lady
natürlich erfolglos – das Gästebuch zu sehen, um zu überprüfen, ob der Nachbar von der einen Seite ihres Hauses das Hotel für ein Stelldichein mit der Nachbarin von der anderen Seite genutzt hatte.
Mara begegnete allen mit derselben Höflichkeit. Sie ließ zu, dass man sie musterte und beurteilte. Den Fragen, die man ihr stellte, wich sie nicht aus. Als sie fast so weit wieder hergestellt war, dass sie in ihr Cottage zurückkehren konnte, stellte sie fest, dass sie das Hotel vermissen würde. Sie hatte Freundschaften geschlossen, womit sie nie und nimmer gerechnet hätte. Manche derjenigen, die sie am Anfang misstrauisch beäugt hatten, waren inzwischen geradezu anhänglich geworden. Der Mann, der immer auf dem Sofa saß, brachte schon jeden Morgen frische Blumen aus seinem Garten mit. Die Frau, die sich so brennend für die Einrichtung interessierte, hatte in Maras Vorschlag eingewilligt, zusammen mit ihr einen Plan zu entwerfen, um die Lobby tatsächlich umzugestalten. Der Besucherstrom könnte geschickter umgelenkt werden, wobei gleichzeitig gemütliche Sitzecken entstehen würden.
Es gab auch andere. Die Frau, die jeden Morgen die frische Wäsche lieferte, hatte einen Sohn in Dublin und liebte es, gegen Abend von ihren Besuchen dort zu erzählen. Der Lebensmittelhändler kam jeden Nachmittag vorbei, um herauszufinden, ob Mara mit dem Gemüse vom Vortag zufrieden gewesen war – egal, für welches Gericht sie sich beim Abendessen entschieden hatte. Doch am ergreifendsten war der Besuch von Sarah MacDaniels und ihren Kindern gewesen, deren Leben Mara wahrscheinlich gerettet hatte. Am Ende der ersten Woche war sie mit einem Korb mit frischen Brombeeren vorbeigekommen und hatte versprochen, Mara den Winter über mit Marmelade zu versorgen.
„Woher wussten Sie das mit dem Pferd, Miss?“ hatte Sarah gefragt, als sie und die Kinder sich zum Gehen wandten. „Wie konnten Sie das nur gewusst haben?“
Mara schüttelte den Kopf. Sie wollte sich keine Geschichte für Sarah ausdenken. Wenn jemand von allen Menschen die Wahrheit verdiente, dann sie.
„Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen, aber ich weiß es selbst nicht.“ Sie lächelte herzlich. „Passiert Ihnen das nicht manchmal auch? Haben Sie nicht manchmal eine merkwürdige Vorahnung, und dann trifft es tatsächlich ein?“
Sarah nickte. „Aye. Einmal bin ich nachts wach worden, einfach so, und bin aufgestanden, um nach den Kindern zu sehen. Irgendetwas sagte mir, dass ich es tun müsse. Mein Ältester hatte hohes Fieber, obwohl er vollkommen gesund ins Bett gegangen war. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn ich nicht aufgewacht wäre.“
„Dann verstehen Sie, was ich meine.“
„Aber das würde nicht jeder.“
„Darum behalte ich die Wahrheit für mich.“
Sarah nickte erneut. „Und ich werde sie ebenfalls für mich behalten.“
Es gab noch weitere Annehmlichkeiten. Sie konnte mit April spielen und ihr vorlesen und mit ihr schmusen. Sie hatte heißes Wasser und eine Innentoilette zur Verfügung und konnte den Anblick eines Gartens genießen, in dem sie nicht selbst arbeiten musste. Zu den Mahlzeiten wurde sie von Frances Gunn, der besten Köchin des Dorfes, verwöhnt.
Und dann war da Duncan.
Am Anfang hatte Mara sich gefragt, wie es sein würde, ihm so nahe zu sein. Robbie hatte sie zuerst auch faszinierend gefunden. Ihr zweites Gesicht hatte ebenso anziehend auf ihn gewirkt wie ihre schlanke Gestalt und das lange goldene Haar. Aber nachdem sie geheiratet hatten, hatte Robbies Entzücken abrupt geendet. Jeden Tag mit ihren Visionen leben zu müssen, hatte das Neue rasch zu einer Last werden lassen.
Sie war nicht mit Duncan verheiratet. Er wurde nie mitten in der Nacht wach, weil seine Frau zitternd und weinend aus ihren Albträumen von einem zukünftigen Unglück aufwachte. Sie bat ihn nie, eine Party zu verlassen, weil die Eindrücke sie überwältigten und sie sich zurückziehen musste. Er war nicht gezwungen, im ruhigsten Haus in der ruhigsten Straße zu wohnen, und musste auf keinen Urlaub im quirligen Rom verzichten, um stattdessen eine einsame Strandvilla zu beziehen. Er musste sich nicht von einer Zukunft mit Kindern verabschieden, weil er die Vorstellung nicht ertrug, dass seine Frau ihren Makel an die nächste Generation weitergeben könnte.
Duncan hatte keine dieser Erfahrungen gemacht. Aber in ihren zwei Wochen im Hotel hatte er anderes erlebt. Er war dabei gewesen, als Mara bewusst wurde, dass Mrs. Robbins, eine
Weitere Kostenlose Bücher