Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
Schutt mit sich, und das helle Prasseln kleinerer Steine vermischte sich mit dem dumpfen Gepolter. Die Geräusche verloren sich in der Tiefe und wurden vom Wind ausgelöscht.
Es waren nur wenige Minuten nach dem Zeitmaß ihres Lebens, aber in diesen Augenblicken fühlte sie, wie dieser Planet weggefegt wurde – kosmischer Staub, Bestandteil anderer Wogen.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte die Stimme des Ghola neben ihr. »Der Sandsturm wird Ihnen das Fleisch von den Knochen fetzen.«
Als ob sie einer Erklärung bedürfte, was es mit einem solchen Sturm auf sich hatte.
Chani fürchtete den Ghola, aber er schien so besorgt um sie, daß sie sich von ihm den Felsensteig hinaufführen ließ. Als sie schnaufend vor der ersten Höhlenöffnung anlangten – sorgfältig vermauert und mit einer Tür versehen –, war der Himmel hinter ihnen graubraun verhängt und finster wie eine grobe dunkle Decke. Hayt öffnete die Tür, sie schlüpften hinein, und er schloß sie hinter ihr.
Vertraute Gerüche stiegen ihr in die Nase. Der Ort war ein Ferment alter Erinnerungen – die Gerüche vieler Körper, die hier wie in Kaninchenbauen zusammengedrängt lebten, der Gestank der Urindestillen, die Düfte von vielerlei Speisen, die sie alle kannte, der heiße Öl- und Stahlgeruch arbeitender Maschinen ... und über allem und alles durchdringend, das allgegenwärtige Gewürz.
Sie holte tief Atem. »Daheim.«
Hayt nahm seine Hand von ihrem Arm und trat zur Seite, eine geduldige, stumme Gestalt, beinahe so, als habe man ihn nach Gebrauch abgeschaltet. Doch – er beobachtete.
Chani verharrte in der Eingangshöhle, verwundert über etwas, das sie nicht zu bezeichnen wußte. Dies war wirklich ihre Heimat. Als Kind hatte sie hier in den Felsspalten Skorpione gejagt. Aber irgend etwas war verändert ...
»Sollten Sie nicht in Ihr Quartier gehen und ein wenig ausruhen?« fragte Hayt besorgt.
Wie von seinen Worten ausgelöst, ging ein krampfhafter Schmerz durch ihren Leib. Sie griff mit beiden Händen an ihren vorgewölbten Bauch und stieß einen leisen Wehlaut aus.
Sofort war Hayt an ihrer Seite und stützte sie. Als der Schmerz verebbt war, fragte sie mit schwacher Stimme: »Warum fürchtet Paul für mich, wenn ich unsere Kinder zur Welt bringe?«
»Es ist ganz natürlich, daß er um Ihre Gesundheit fürchtet«, sagte er.
»Und er fürchtet nicht um die Kinder?«
»Er kann nicht an ein Kind denken, ohne sich zu erinnern, daß Ihr Erstgeborener von den Sardaukar erschlagen wurde.«
Sie musterte den Ghola – flaches Gesicht, nicht lesbare mechanische Augen. War er jemandes Freund? Hatte er aufrichtig gesprochen?
»Sie sollten bei den Ärzten sein«, sagte Hayt.
Wieder hörte sie Beunruhigung aus seiner Stimme. Er schien sich echte Sorgen um sie zu machen. »Hayt«, flüsterte sie, »ich habe Angst. Wo ist mein Usul?«
»Staatsgeschäfte halten ihn zurück«, sagte er.
Sie nickte und dachte an die vielen Berater und Ministerialen, die mit ihnen gekommen waren. Und auf einmal erkannte sie, was ihr beim Eintreten aufgefallen war: die hier fremdartigen Gerüche der Außenwelt. Die Leute vom Palast hatten ihre eigenen Düfte in diese Umgebung gebracht, solche des Essens und der Kleidung, aber auch die exotischen Toilettenartikel, Parfüms und Drogen. Sie bildeten hier eine Unterströmung, die die vertrauten Gerüche der Sietch irgendwie verfremdeten.
Chani schüttelte sich, unterdrückte einen Drang zu bitterem Lachen. Selbst die Gerüche veränderten sich in Muad'dibs Gegenwart!
»Es gab dringende Angelegenheiten, die er nicht aufschieben konnte«, sagte Hayt, der ihr Zögern mißverstand.
»Ja, ja ... ich verstehe«, murmelte sie abwesend.
Als sie weiterhin in willenloser Geistesabwesenheit verharrte, faßte Hayt von neuem ihren Arm und zog sie mit sich. Nach kaum zehn Schritten riß sie sich los und sank stöhnend gegen die Wand, beide Hände auf den Leib gepreßt.
Hayt sah ihre blassen Wangen. Er sagte: »Ist es Ihre Zeit?«
»Ich ... ja, ich glaube.«
»Sie dürfen nicht länger warten«, sagte er. Er packte sie wieder am Arm und eilte weiter. Sie fühlte eine Panik in ihm. »Nicht so schnell!« murmelte sie. »Es – wird noch eine Weile dauern.«
Er achtete nicht darauf. »Die Zensunni-Methode der Geburt«, sagte er, während er sie noch schneller fortzerrte, »ist, ohne Ziel oder Absicht zu warten. Versuchen Sie nicht, mit dem Geschehen in einen Willenswettbewerb zu treten. Willensanstrengung und jedes bewußte
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