Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
mir.«
»Dienen Sie zwei Herren?«
»Vielleicht.«
»Befreien Sie sich von dem Ghola, Duncan!«
»Wie? Kann man sich von sich selbst befreien, außer durch den Tod?«
»Sie sind ein Mensch. Tun Sie etwas Menschliches.«
»Ich bin ein Mensch. Aber ich bin auch ein Ghola.«
»Richtig. Ihr Fleisch ist menschlich. Duncan ist darin.«
»Etwas ist darin.«
»Es ist mir gleich, wie Sie es machen«, sagte Paul, »aber Sie werden es tun.«
»Sie haben ein Vorauswissen davon?« fragte Hayt.
»Vorauswissen! Verdammt soll es sein!« Paul wandte sich heftig ab. Seine Vision jagte jetzt vorwärts, lückenhaft, aber unaufhaltsam.
»Herr, wenn Sie ...«
»Still!« Paul hob eine Hand. »Haben Sie das gehört?«
»Was, Herr?«
Paul schüttelte den Kopf. Hayt hatte es nicht gehört. Hatte er selbst sich das Geräusch nur eingebildet? Es war gewesen, als ob jemand von dort draußen in der Wüste seinen Fremennamen gerufen hätte – weit entfernt: »Usul ... Usul ...«
»Was ist, Herr?«
Wieder schüttelte Paul den Kopf. Er fühlte sich beobachtet. Etwas dort draußen in der Nacht wußte, daß er hier war. Etwas? Nein – jemand.
»Die Tragik war immer gegenwärtig«, flüsterte er, »nur du lehrtest mich, sie zu vergessen.«
»Was sagten Sie, Herr?«
»Es ist die Zukunft«, antwortete Paul.
Dieses amorphe menschliche Universum dort draußen war in eine ruckartige Bewegung geraten und tanzte zur Melodie seiner Vision. Eben hatte es eine machtvolle Note angeschlagen. Vielleicht dauerten die Geisterechos an.
»Ich versteh nicht, Herr«, sagte Hayt.
»Ein Fremen stirbt, wenn er zu lange der Wüste fern ist«, sagte Paul. »Sie nennen es die ›Wasserkrankheit‹. Ist das nicht seltsam?«
»Das ist sehr seltsam.«
Paul rang mit Erinnerungen, versuchte sich vorzustellen, wie Chani in der Nacht neben ihm atmete. Alles, woran er sich erinnern konnte, war Chani beim Frühstück, vor der Abreise in die Wüste. Sie war unruhig und reizbar gewesen. Wo gab es Tröstung?
»Warum trägst du diese alte Jacke?« hatte sie ihn gefragt. »Du bist ein Herrscher!«
»Selbst ein Herrscher hat seine Lieblingskleider«, hatte er geantwortet.
Aus einem Grund, den er sich nicht erklären konnte, hatte das wirkliche Tränen in Chanis Augen gebracht.
Nun stand er selbst in der Dunkelheit und wischte sich Feuchtigkeit von den Wangen. Wer schenkt den Toten Wasser? dachte er. Es war sein eigenes Gesicht, und doch nicht seins. Der Nachtwind kühlte die feuchte Haut. Ein zerbrechlicher Traum formte sich und zerfiel. Was war dieses Schwellen in seiner Brust? War es etwas, das er gegessen hatte? Wie bitter und traurig war dieses andere Selbst, das den Toten Wasser schenkte. Sand knisterte im Wind. Die Haut, trocken jetzt, gehörte ihm. Aber wessen war das Beben, das zurückblieb?
Dann hörten sie das Jammern, fern in den tiefen Höhlen des Sietch. Es wurde lauter ... lauter ...
Jemand riß die Tür auf und entließ einen Schwall grellen Lichts in die Nacht. Hayt drehte sich um und sah einen Mann mit einem Grinsen im Gesicht – nein! Es war kein Grinsen, sondern eine Grimasse von Kummer! Er kannte den Mann; es war ein Leutnant der Palastwache namens Tandis. Hinter ihm kamen viele andere, und als sie Muad'dib sahen, wurden sie alle still.
»Chani ...« sagte Tandis.
»Ist tot«, flüsterte Paul. »Ich hörte sie rufen.«
Er drehte sich um. Er kannte diesen Ort. Es war ein Ort, wo er sich nicht verstecken konnte. Seine Vision, in diesen letzten Stunden von quälender Deutlichkeit, zeigte ihm die ganze Menge. Er sah Tandis' verstörtes, unglückliches Gesicht, wie er es in quälenden Stunden der Heimsuchung vorausgesehen hatte.
»Sie ist nicht mehr«, sagte Paul.
Der Ghola hörte die Worte ›sie ist nicht mehr‹ wie aus einer flammenden Corona. Sie brannten sich in seine Brust, sein Rückgrat, in die Höhlen seiner Metallaugen. Er fühlte, wie seine rechte Hand zum Gürtel glitt, wo er sein Messer hatte. Sein Denken wurde seltsam unzusammenhängend. Er war eine Marionette, festgehalten von Fäden, die von dieser schrecklichen Korona ausgingen. Er bewegte sich nach den Befehlen und Wünschen eines anderen. Die Fäden machten seine Arme und Beine zucken, bewegten seinen Mund. Ein gepreßtes, krächzendes Geräusch entrang sich seiner Kehle – »Hraak! Hraak!«
Das Messer kam hoch und holte zum Zustoßen aus. In diesem Augenblick gewann er seine eigene Stimme zurück und formte keuchende Worte: »Lauf! Junger Herr, lauf!«
»Wir werden
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