Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
Blutvergießen gelebt. Er war Zeuge geworden, wie seine fanatisierten Anhänger, erfüllt von einer ebenso mystischen wie unwiderstehlichen Kraft, alle Gegner hinweggefegt hatten. Der Djihad gewann eine neue Perspektive. Er war natürlich nur eine vorübergehende Erscheinung, eine kurze und hektische Entladung, gemessen an der Menschheitsgeschichte, doch jenseits lagen Schrecken, die alles überschatteten, was es in der Vergangenheit gegeben hatte.
Alles in meinem Namen, dachte Paul.
»Vielleicht könnte man ihnen das formale Äquivalent einer Verfassung geben«, schlug Chani vor. »Sie braucht nicht tatsächlich wirksam zu sein.«
»Täuschung ist immer ein Werkzeug der Staatskunst gewesen«, pflichtete Irulan ihr bei.
»Es gibt Grenzen der Macht, wie alle entdecken, die ihre Hoffnungen auf eine Verfassung setzen«, sagte Paul.
Korba erwachte aus seiner andächtigen Haltung. »Darf ich etwas sagen, Herr?«
»Ja?« Und Paul dachte: Aufgepaßt! Hier ist einer, der geheime Sympathien für eine imaginäre Herrschaft des Gesetzes hegen mag.
»Wir könnten mit einer religiösen Verfassung beginnen«, sagte Korba. »Das wäre etwas für die Gläubigen, die ...«
»Nein!« sagte Paul. »Wir werden dies zu einem Ratsbeschluß machen. Nimmst du es auf, Irulan?«
»Ja«, sagte Irulan. Ihre Stimme klang frostig, und widerwillig zog sie das Aufnahmegerät an ihre Seite, verärgert über die knechtische Rolle, die er ihr aufzwang.
»Verfassungen sind die äußerste Tyrannei«, sagte Paul. »Sie sind organisierte Macht in einem Maßstab, der alles überwältigt. Die Verfassung ist mobilisierte gesellschaftliche Macht und hat kein Gewissen. Sie kann darum von den jeweils herrschenden Machtgruppen usurpiert und nach ihren Bedürfnissen gestaltet und ausgelegt werden. In solchen Händen wird sie zum Unterdrückungsinstrument, das den Unterdrückten jede Würde und Individualität nimmt. Ihre Möglichkeiten in dieser Richtung sind unbegrenzt. Ich hingegen habe Begrenzungen. In meinem Wunsch, der Bevölkerung größtmöglichen Schutz zu gewähren, verbiete ich grundsätzlich eine Verfassung. Unterschrift, Datum, et cetera, et cetera.«
»Wie verhalten wir uns zu den Bedenken der Ixian-Föderation über die Steuern?« fragte Stilgar.
Paul zwang seine Aufmerksamkeit von Korbas enttäuschtem und ärgerlichem Gesicht fort und sagte: »Haben Sie einen Vorschlag?«
»Wir müssen in der Steuerfrage fest bleiben. Geben wir nach, kommen die anderen alle und verlangen unter diesem oder jenem Vorwand ähnliche Vergünstigungen.«
Paul nickte. »Unser Preis für die Unterschrift auf dem Tupile-Vertrag ist die Hinnahme unserer Steuer durch die Ixian-Föderation. Die Föderation kann ohne die Transportmittel der Gilde nicht Handel treiben. Die Gilde aber ist vordringlich am Zustandekommen des Tupile-Vertrags interessiert, also wird sie die Föderation unter Druck setzen, und letztere wird nachgeben.«
»Sehr gut.« Stilgar nahm eine neue Akte vor und räusperte sich. »Die Meldung des Qizarats über Salusa Secundus. Irulans Vater hat seine Streitkräfte Landemanöver durchführen lassen.«
Irulan betrachtete ihre linke Handfläche. In ihrem Hals pochte der Puls.
»Irulan«, sagte Paul, »bestehst du auf der Behauptung, daß die eine Legion deines Vaters nicht mehr als ein Spielzeug sei?«
»Was könnte er mit nur einer Legion tun?« fragte sie. Sie starrte ihn aus schmalen Augen an.
»Er könnte sein Leben verspielen«, sagte Chani.
Paul nickte. »Und ich bekäme die Schuld.«
»Aber es ist nur seine Polizeistreitmacht!« protestierte Irulan.
»Dann sind Landemanöver überflüssig«, sagte Paul. »Ich schlage vor, Irulan, daß dein nächster kleiner Brief an deinen Vater eine offene und direkte Wiedergabe meiner Ansichten über seine delikate Position enthält.«
Sie senkte den Blick. »Ich hoffe, damit wird der Fall erledigt sein. Mein Vater würde eine gute Märtyrergestalt abgeben.«
»Hmm«, sagte Paul. »Meine regionalen Kommandeure unternehmen nichts ohne meinen Befehl.«
»Ein Angriff auf meinen Vater würde Gefahren mit sich bringen, die nichts mit einem militärischen Risiko zu tun haben«, erwiderte Irulan. »Die Leute fangen an, mit einer gewissen Sehnsucht an die Zeit seiner Regierung zurückzudenken.«
»Eines Tages wirst du zu weit gehen«, sagte Chani zornig.
»Genug!« befahl Paul.
Er erwog Irulans Enthüllung. Daran mochte etwas Wahres sein. Irulan hatte wieder einmal ihren Wert bewiesen.
»Die Bene
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