Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
nicht mehr als Halluzinationen?« fragte Paul, gespielte Bekümmerung in der Stimme. »Oder wollen Sie andeuten, daß meine Gläubigen halluzinieren?«
Stilgar fühlte instinktiv die zunehmende Spannung und trat einen Schritt näher zu Paul, ohne den Steuermann aus den Augen zu lassen.
»Sie verdrehen meine Worte, Herr«, protestierte Edric. Ein merkwürdiges Vorgefühl von Gewalttätigkeit schwang in den Worten.
Gewalttat hier? fragte Paul sich. Das würden sie nicht wagen! Es sei denn (und er blickte zu seinen Wachen), er wäre verrückt.
»Aber Sie beschuldigen mich, darauf hinzuwirken, daß die Menschen mich als einen Gott ansehen«, sagte Paul. »Es besagt, daß Sie das Schlimmste von mir erwarten, mir alles zutrauen.«
Edric verdrehte den Hals und blickte mit ängstlichem Ausdruck seitwärts zu Stilgar. »Von den Reichen und Mächtigen erwarten die Menschen immer das Schlimmste, Herr. Und das ist nicht zufällig so. Es heißt, man könne einen Aristokraten immer daran erkennen, daß er nur die von seinen Lastern enthüllt, die ihn populär machen.«
In Stilgars Gesicht zuckte es.
Paul blickte auf und fühlte die zornigen Gedanken Stilgars: Wie konnte dieser Gildenmann es wagen, so zu Muad'dib zu sprechen?
»Sie scherzen nicht, nehme ich an«, sagte Paul.
»Scherzen, Herr?«
Paul merkte, daß sein Mund trocken war. Er fand, daß zu viele Menschen im Raum waren, daß die Luft, die er atmete, durch zu viele Lungen gegangen war. Die Melangefarbe in Edrics Behälter schien etwas Bedrohliches zu haben.
»Wenn ich schlimme Absichten hätte und mich zu ihrer Verwirklichung bemühte, die Menschen in derart verschwörerischer Weise von meiner göttlichen Natur zu überzeugen, dann könnte mir das nicht allein gelingen«, sagte Paul nach einer Pause. »Wer könnten meine Komplicen in solch einer Verschwörung sein? Würden Sie die Priesterschaft bezichtigen?«
Edrics Achselzucken brachte das orangefarbene Gas um seinen Kopf in Wallung. Er schien sich nicht mehr vor Stilgar zu fürchten, obwohl dieser ihn noch immer finster anstarrte.
»Denken Sie, daß alle meine Missionare Falschheiten predigen?« beharrte Paul.
»Es könnte eine Frage von Selbstinteresse und Ehrlichkeit sein«, sagte Edric zögernd.
Stilgar legte eine Hand an das Messer unter seinem Gewand.
Paul wandte sich ihm zu, schüttelte den Kopf und sagte: »Dann klagen Sie mich der Unaufrichtigkeit an?«
»Ich bin nicht sicher, ob ›anklagen‹ das richtige Wort ist, Herr.«
Die Kühnheit dieser Kreatur! dachte Paul. Und er sagte: »Anklage oder nicht, Sie sagen, daß meine Priester und ich nicht besser seien als machthungrige Briganten.«
»Machthungrig, Herr?« Wieder blickte Edric zu Stilgar. »Macht pflegt jene zu isolieren, die zuviel davon haben. Mit der Zeit verlieren sie den Kontakt zur Realität ... und fallen.«
»Herr«, knurrte Stilgar, »wir haben wegen geringerer Beleidigungen Männer hingerichtet!«
»Männer, ja«, sagte Paul. »Aber dies ist ein Gesandter der Gilde.«
»Er beschuldigt Sie eines unheiligen Schwindels!«
»Sein Denken interessiert mich, Stilgar«, sagte Paul. »Unterdrücken wir unseren Unwillen; bleiben wir aufmerksam.«
»Wie Muad'dib befiehlt.«
»Sagen Sie mir, Steuermann«, sagte Paul, »wie könnten wir diesen angeblichen Betrug über so enorme Entfernungen in Raum und Zeit durchhalten, ohne eine Möglichkeit, jeden Missionar zu beobachten und jeden Vorgang in jeder Priorei des Qizarats zu kontrollieren?«
»Was ist Ihnen Zeit?« fragte Edric.
Stilgar runzelte verdutzt die Stirn. Und er dachte: Muad'dib hat oft gesagt, daß er durch die Schleier der Zeit sehen kann. Was meint dieser Gildenmann wirklich?
»Würde das Gewebe eines solchen Riesenbetrugs nicht bald Löcher zeigen?« fragte Paul. »Ernste Meinungsverschiedenheiten, Zweifel, Schuldbekenntnisse, ein Schisma – eine betrügerische Lehre könnte alles das nicht unterdrücken.«
»Was Religion und Selbstinteresse nicht verstecken können, das können Regierungen«, sagte Edric.
»Wollen Sie die Grenzen meiner Duldsamkeit auskundschaften?« fragte Paul.
»Fehlt meinen Argumenten jegliches Verdienst?« konterte Edric.
Ob er will, daß wir ihn töten? dachte Paul. Bietet Edric sich als Opfergabe an?
»Ich ziehe den zynischen Standpunkt vor«, fing Paul wieder an. »Offenbar sind Sie mit allen Kniffen und Verlogenheiten der Staatskunst vertraut, mit allen Doppeldeutigkeiten und machtvollen Worten. Die Sprache ist Ihnen nicht mehr als
Weitere Kostenlose Bücher