Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
sagte Paul ärgerlich. »Was wissen Sie von Vorbedeutung, Hayt?«
»Ich habe das Orakel am Werk gesehen«, sagte der Ghola. »Ich habe jene gesehen, die Zeichen und Omen für ihr individuelles Schicksal suchen. Sie fürchten, was sie suchen.«
»Mein fallender Mond ist real«, flüsterte Paul. Er holte gequält Atem. »Er bewegt sich.«
»Menschen fürchten immer Dinge, die sich von selbst bewegen«, sagte Hayt. »Sie fürchten ihre eigenen Gaben. Von nirgendwo kommen Dinge und fallen in ihren Kopf. Wo gehen sie hin, wenn sie herausfallen?«
»Sie trösten mich mit Dornen«, murrte Paul.
Ein inneres Licht brach aus dem Gesicht des Ghola hervor und verklärte seine Züge mit einem angenehmen Lächeln. Er sagte: »Ich gebe Ihnen an Trost, was ich kann.«
Paul wunderte sich über die momentane Verwandlung. Kannte Hayt einen Kummer, den sein Verstand zurückwies? Oder hatte er selbst eine Vision erfahren?
»Mein Mond hat einen Namen«, flüsterte Paul.
Er fühlte die Vision wiederkehren – oder war es eine neue? und ließ sich von ihr überfluten. Die Luft dieser Zukunft war unheilschwanger und erfüllt mit dem Bewußtsein von Chanis Abwesenheit. Was er geliebt hatte, war nicht mehr, war wieder zu Wasser und Sand geworden.
Mit den Bewegungen eines alten Mannes wandte Paul sich ab und blickte hinaus in die Gegenwart und den Platz vor Alias Tempel. Drei Pilger mit kahlrasierten Schädeln näherten sich dem Eingang auf dem Prozessionsweg. Sie trugen schmutzige gelbe Gewänder und gingen gebeugt gegen den Wind. Einer hinkte, zog den linken Fuß nach. Sie kämpften sich gegen die Windstöße vorwärts und kamen hinter einem Mauervorsprung außer Sicht.
Genau wie sein Mond waren sie verschwunden. Und seine Vision lag vor ihm und ließ ihm keine Wahl.
Das Fleisch ergibt sich, dachte er. Die Ewigkeit nimmt zurück, was ihr gehört. Unsere Körper rührten diese Wasser für kurze Zeit auf, tanzten mit einer gewissen Trunkenheit vor der Liebe zum Selbst und zum Leben, beschäftigten sich mit ein paar Ideen, unterwarfen sich dann den Instrumenten der Zeit. Was können wir davon sagen? Ich kam vor. Ich bin nicht – doch ich kam vor.
12
Man bittet die Sonne nicht um Erbarmen.
»Muad'dibs Leben und Leiden«
aus den »Stilgar-Kommentaren«
Ein Augenblick der Unzulänglichkeit kann verhängnisvoll sein, erinnerte sich die Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam.
Sie humpelte – äußerlich unbekümmert – inmitten einer Eskorte von Palastwächtern. Einer der Männer hinter ihr, so hatte sie festgestellt, war ein Taubstummer, immun gegen alle Überredungskünste. Zweifellos hatte er den Auftrag, sie bei der geringsten Provokation zu töten.
Warum hatte der Atreides sie zu sich gerufen? Hatte er endlich beschlossen, ein Urteil zu verkünden? Sie entsann sich jenes fernen Tages, als sie ihn geprüft hatte ... Er war damals noch ein Kind gewesen, aber sie hatte sofort bemerkt, daß er die Gaben hatte.
Verdammt sei seine Mutter in alle Ewigkeit! Es war ihre Schuld, daß die Bene Gesserit ihren Einfluß auf diese genetische Linie verloren hatten.
Stille dämmerte unter den Tonnengewölben der Korridore. Sie fühlte die Botschaft vorauseilen. Paul würde von ihrem Kommen wissen, bevor es ihm angekündigt wurde. Sie täuschte sich nicht mit Ideen, daß ihre Kräfte die seinen überstiegen.
Verdammt sei er!
Sie verwünschte die Bürde, die das Alter ihr aufgeladen hatte: die schmerzenden Gelenke, den steifen Rücken, die verlangsamten Reflexe, die hart gewordenen Muskeln, denen Elastizität und Spannkraft fehlten. Ein langer Tag lag hinter ihr, und ein langes Leben. Sie hatte diesen Tag – wie so viele vor ihm mit dem Legen der Tarockkarten verbracht, in fruchtloser Suche nach irgendeinem Hinweis auf ihr eigenes Schicksal. Aber die Karten waren träge und nicht selten trügerisch.
Die Wächter trieben sie um eine Ecke und in einen weiteren überwölbten und anscheinend endlosen Korridor. Dreieckige Fenster zu ihrer Linken gaben den Blick auf Dachgärten frei, die von der Nachmittagssonne beschienen wurden. Der Fliesenboden unter ihren Füßen zeigte Darstellungen unbekannter Wassertiere von exotischen Planeten. Überall Dinge, die an Wasser gemahnten. Reichtum. Pracht.
Vor ihr wanderten Gestalten in langen Gewändern durch einen Quergang, warfen der Ehrwürdigen Mutter versteckte Blicke zu. Es war deutlich zu sehen, daß sie sie erkannt hatten. Spannung war fühlbar.
Sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf
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