Dune 02,5 - Stürme des Wüstenplaneten
um. »Dies ist der sicherste Bereich der Zitadelle. Also haben wir hier den Kinderhort eingerichtet.«
Zwei mit langen Kindjals bewaffnete Qizara bewachten einen Torbogen, doch die Priester traten ohne ein Wort beiseite, um die Gruppe einzulassen. Im Hauptraum standen drei aufmerksame Fedaykin und hielten Wache.
Dienerinnen in traditionellen Fremen-Gewändern eilten hin und her. Harah, die für Alia einst Kindermädchen und Gefährtin gewesen war, stand über den Zwillingen, als wäre sie selbst die Mutter. Sie blickte zu Alia auf, bemerkte dann Jessicas Anwesenheit und nickte ihr zu.
Jessica trat vor, um Leto und Ghanima zu betrachten. Es überraschte sie, wie viel Ehrfurcht sie vor diesen Kindern hatte. Sie wirkten so makellos, so jung und hilflos. Sie waren erst einen knappen Monat alt. Jessica wurde sich bewusst, dass sie leicht zitterte. Sie verdrängte alle Gedanken an die Dinge, die das Imperium erschütterten und von denen sie in den letzten paar Tagen erfahren hatte.
Als würde eine Verbindung zwischen ihnen bestehen, wandten beide Babys ihr gleichzeitig die Gesichter zu, öffneten die blauen Augen und betrachteten Jessica mit einer Aufmerksamkeit, die sie verblüffte. Auch Alia hatte bereits als Baby diesen Blick gehabt ...
»Es wird genauestens beobachtet, wie sie sich verhalten und interagieren«, sagte Alia. »Kaum jemand dürfte besser verstehen als ich, mit welchen Schwierigkeiten sie es möglicherweise zu tun bekommen.«
Harah meldete sich energisch zu Wort. »Wir geben uns alle Mühe, sie so gut zu versorgen, wie Chani und Usul es gewollt hätten.«
Jessica ging in die Knie und streichelte die winzigen, zarten Gesichter. Die Babys sahen sie an, und dann wechselten sie einen Blick miteinander, bei dem etwas Unbegreifliches zwischen ihnen ausgetauscht wurde.
Für die Schwesternschaft waren Neugeborene nicht mehr als genetische Produkte, Glieder einer langen Kette, in der sich Blutlinien vermischten. Unter den Bene Gesserit wurden Kinder ohne irgendeine emotionale Bindung an ihre Mütter aufgezogen, und häufig wussten sie gar nicht, wer ihre Eltern waren. Auch Jessica, die in der Mütterschule auf Wallach IX aufgewachsen war, hatte nicht erfahren, dass ihr Vater der Baron Harkonnen und ihre Mutter Gaius Helen Mohiam war. Obwohl ihre Erziehung durch die emotional unterkühlten Bene Gesserit alles andere als ideal gewesen war, erwärmte sich ihr Herz für ihre Enkelkinder, während sie an das turbulente Leben dachte, das ohne Zweifel vor ihnen lag.
Und wieder musste Jessica an Chani denken. Ein Leben im Tausch gegen zwei ... Im Laufe der Zeit hatte sie die Fremen-Frau immer mehr für ihre Weisheit und ihre bedingungslose Treue zu Paul respektiert. Wie hatte seiner Hellsicht ein so schrecklicher Schlag wie der Verlust seiner Geliebten entgehen können? Oder hatte er es gewusst, aber nichts dagegen tun können? Eine solche Hilflosigkeit angesichts des Schicksals konnte jeden Menschen in den Wahnsinn treiben ...
»Möchtest du sie in den Armen halten?«, fragte Harah.
Es war schon sehr lange her, seit sie so etwas das letzte Mal getan hatte. »Später. Im Moment ... möchte ich sie einfach nur ansehen.«
Alia war weiterhin völlig in ihren Vorstellungen von Zeremonien und Spektakeln gefangen. »Es sind sehr unruhige Zeiten. Wir müssen noch sehr viel tun, um den Menschen wieder Hoffnung zu geben, nachdem Muad'dib fort ist. Im Anschluss an die zwei Trauerfeiern werden wir schon bald eine Taufe veranstalten. Jedes dieser Ereignisse soll dem Volk ins Gedächtnis rufen, wie sehr es uns liebt.«
»Es sind Kinder, keine Werkzeuge der Staatskunst«, sagte Jessica, obwohl sie es besser wusste. Von den Bene Gesserit hatte sie gelernt, dass jeder Mensch einen potenziellen Verwendungszweck hatte – als Werkzeug oder als Waffe.
»Ach, Mutter, früher einmal hast du viel pragmatischer gedacht.«
Jessica streichelte das Gesicht des kleinen Leto und nahm einen tiefen Atemzug. Doch sie fand keine Worte, die sie hätte aussprechen können. Zweifellos entwickelten sich bereits die ersten politischen Ränkespiele um diese Kinder.
Verbittert dachte sie daran, was die Bene Gesserit mit ihr gemacht hatten – und mit so vielen anderen, die wie sie waren, einschließlich der besonders harten Behandlung, die Tessia zuteil geworden war, der Ehefrau des Cyborg-Prinzen Rhombur Vernius ...
Die Bene Gesserit hatten stets ihre eigenen Gründe und ihre eigenen Rechtfertigungen.
8
Ich schreibe die Wahrheit über
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