Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
schienen wie von Lichtstrahlen gemeißelt. Sie zeigten Synthesen der Gesichter ihrer gemeinsamen Vergangenheit, Genpfade ohne scharfe Grenzen, und es gab keine Möglichkeit, sie zu mißdeuten. Sie bedeuteten auch karge Tage und Wassermangel, aber auch die Wunderseen Caladans. Und jetzt befanden sie sich beide an einer entscheidenden Wende, während die Nacht darauf wartete, sich über die Dünen herabzusenken.
»So, Vater«, sagte Leto und warf einen kurzen Blick nach links, wo er den jungen Fremen auftauchen sah, der den Wurm entlassen hatte und sich nun auf sie zubewegte.
»Mu zein!« sagte der Prediger und durchschnitt mit der rechten Hand die Luft. Dies ist nicht gut!
»Koolish zein«, erwiderte Leto mit sanfter Stimme. Dies ist alles Gute, was wir jemals haben werden. Und er fügte in Chakobsa, der alten Kampfsprache der Atreides, hinzu: »Hier bin ich, und hier bleibe ich! Das dürfen wir nicht vergessen, Vater.«
Die Schultern des Predigers sackten herab. Er berührte mit beiden Händen seine leeren Augenhöhlen, und man sah ihm an, daß dies für ihn eine ungewohnte Geste war.
»Einst gab ich dir den Blick meiner Augen und nahm deine Erinnerungen«, sagte Leto. »Ich kenne deine Entscheidungen und bin an dem Ort gewesen, an dem du dich versteckt hältst.«
»Ich weiß.« Der Prediger ließ die Hände wieder sinken. »Du willst bleiben?«
»Du nanntest mich nach dem Mann, der seinem Schicksal ins Auge sah«, erwiderte Leto. »J'y suis, j'y reste!«
Der Prediger seufzte tief. »Wie lange ist es her, was du dir angetan hast?«
»Meine Haut ist nicht die meine, Vater.«
Der Prediger erschauerte. »Dann weiß ich, wie du mich hier gefunden hast.«
»Ja, es war meine Erinnerung, die mich einen Platz finden ließ, den ich nie zuvor zu Gesicht bekam«, sagte Leto. »Ich brauchte einen Abend mit meinem Vater.«
»Ich bin nicht dein Vater. Ich bin nur eine armselige Kopie von ihm, ein Relikt.« Der Prediger deutete mit dem Kopf in die Richtung der Geräusche, die sein sich nähernder Führer erzeugte. »Ich folge den Visionen meiner Zukunft nicht mehr.«
Im gleichen Augenblick wurde es dunkel. Über ihnen erschienen die Sterne. Auch Leto wandte sich dem herannahenden Führer zu. »Wubakh ul kuhar!« rief er ihm entgegen. »Grüße!«
Und die Antwort war: »Subak un nar!«
In einem heiseren Flüsterton sagte der Prediger: »Dieser Assan Tarig ist gefährlich.«
»Jeder Ausgestoßene ist gefährlich«, entgegnete Leto. »Aber nicht für mich.« Er sagte das in einem leisen, aber nicht ungewöhnlich klingenden Tonfall.
»Wenn dies deine Vision ist, werde ich sie nicht teilen«, sagte der Prediger.
»Vielleicht hast du gar keine andere Wahl«, sagte Leto. »Du bist die fil-haquiqa, die Realität. Du bist Abu d'Dhur, der Herr der endlosen Zeitströme.«
»Ich bin lediglich der Köder in einer Falle«, sagte der Prediger bitter.
»Und Alia hat diesen Köder bereits geschluckt«, meinte Leto. »Dennoch behagt mir sein Geschmack nicht.«
»Du kannst das nicht tun!« zischte der Prediger.
»Ich habe es bereits getan. Meine Haut ist nicht die meine.«
»Vielleicht ist es noch nicht zu spät für dich, zu ...«
»Es ist zu spät.« Leto legte den Kopf schief. Er konnte nun hören, wie Assan Tarig zu ihnen heraufkam. Er folgte dem Klang ihrer Stimmen. »Ich grüße dich, Assan Tarig von Shuloch«, sagte Leto.
Der Junge blieb unterhalb von Leto stehen. Im Sternenlicht wirkte er wie ein dunkler Schatten. An der Art, wie er Schultern und Kopf hielt, erkannte man, daß er unentschlossen war.
»Ja«, sagte Leto. »Ich bin derjenige, der aus Shuloch entkam.«
»Als ich hörte ...«, begann der Prediger. Aber er brach den angefangenen Satz sofort ab und wiederholte: »Du kannst das nicht tun!«
»Ich tue es bereits. Würde man dich etwa ein zweitesmal blenden?«
»Glaubst du, ich hätte Angst davor?« fragte der Prediger. »Siehst du nicht den ausgezeichneten Führer, mit dem sie mich versorgt haben?«
»Ich sehe ihn.« Erneut sah Leto Assan Tarig an. »Hast du nicht gehört, Assan Tarig? Ich bin derjenige, der aus Shuloch entkam.«
»Du bist ein Dämon«, sagte der Junge zitternd.
»Dein Dämon«, erwiderte Leto. »Aber du stellst meinen Dämon dar.« Die Spannung zwischen ihm und seinem Vater wuchs. Sie waren wie von einem Schattenspiel umgeben, einer Projektion ungewisser Formen. Und Leto spürte, daß sich sein Vater an etwas erinnerte. An diese Begegnung.
Auch Assan Tarig schien die Schlacht der
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