Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Helligkeit, um auf eine Erklärung dessen zu stoßen, warum das Geschöpf sie hierhergebracht hatte. Ein großer Riß in der Wand zu ihrer Rechten schien ihr ein ebenso guter Punkt für eine Untersuchung zu sein wie jeder andere. Während sie einen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf die Geräusche richtete, die Waff erzeugte, kletterte Odrade einen sandigen Abhang hinauf, der an der Öffnung endete. Sheeana blieb auf ihrer Höhe.
»Warum sind wir hier, Mutter?«
Odrade schüttelte den Kopf. Sie hörte, daß Waff ihnen folgte.
Der Riß, der direkt vor ihr lag, entpuppte sich als ein ihr nicht ganz geheures, in die Finsternis führendes Loch. Odrade hielt an, Sheeana blieb neben ihr. Sie schätzte die Breite der Öffnung auf einen Meter; ihre Höhe betrug etwa das Vierfache. Die felsigen Seitenteile waren eigenartig glatt, als hätten menschliche Hände sie poliert. Sand war in den Spalt eingedrungen. Das Licht der untergehenden Sonne wurde vom Sand reflektiert und badete eine Seite der Öffnung in goldenes Licht.
Hinter ihnen sagte Waff: »Was ist das für ein Ort?«
»Es gibt viele alte Höhlen«, sagte Sheeana. »Die Fremen haben dort ihr Gewürz versteckt.« Durch die Nase sog sie tief die Luft ein. »Riechst du es auch, Mutter?«
Odrade stimmte ihr zu: dieser Ort roch eindeutig nach Melange.
Waff drängte sich an Odrade vorbei und passierte den Eingang. Er drehte sich um und begutachtete die Wände, die sich in einem scharfen Winkel über ihm trafen. Das Gesicht Odrade und Sheeana zugewandt, drang er rückwärts weiter in die Öffnung vor. Odrade und Sheeana setzten ihm nach. Waffs Blicke galten den Wänden. Plötzlich verschwand er mit einem abrupten Knirschen sich irgendwohin ergießenden Sandes aus ihrem Blickfeld. Im gleichen Augenblick rutschte der Odrade und Sheeana umgebende Sand in den Spalt hinein und riß die beiden mit sich. Odrade packte Sheeanas Hand.
»Mutter!« schrie das Mädchen.
Unsichtbare Felswände warfen den Klang ihrer Stimme zurück, als sie über einen langen, sich bewegenden Abhang aus Sand in eine alles verbergende Finsternis hinabrutschten. Schließlich kam der Sand mit einer sanften, sie umhüllenden Bewegung zur Ruhe. Odrade, die bis zu den Knien eingesunken war, befreite sich und zog Sheeana zu sich auf die harte Oberfläche.
Sheeana wollte etwas sagen, aber Odrade machte: »Pssst! Horch!«
Links von ihnen bewegte sich etwas und ächzte.
»Waff?«
»Ich stecke bis zum Bauch drin.« Grauen war in seiner Stimme.
Odrade sagte trocken: »Gott wird es so wollen. Befreien Sie sich selbst! Aber vorsichtig! Ich glaube, wir haben festes Gestein unter den Füßen. Seien Sie vorsichtig! Noch eine Lawine hätte uns gerade noch gefehlt.«
Als sich ihre Augen an die Verhältnisse angepaßt hatten, sah Odrade sich den sandigen Abhang an, den sie heruntergerutscht waren. Die Öffnung, durch die sie an diesen Ort gelangt waren, lag hoch über ihnen und wirkte wie ein ferner, goldverbrämter Schlitz.
»Mutter«, sagte Sheeana leise, »ich fürchte mich.«
»Sag die Litanei gegen die Furcht auf!« befahl Odrade. »Und sei still! Unsere Freunde wissen, wo wir sind. Sie werden uns hier heraushelfen.«
»Gott hat uns an diesen Ort gebracht«, sagte Waff.
Odrade antwortete nicht. In der Stille schürzte sie die Lippen und stieß einen hohen, schrillen Pfiff aus, um nach den Echos zu lauschen. Ihre Ohren sagten ihr, daß sie sich in einem gewaltigen Raum aufhielten und sich irgendwo hinter ihnen eine Art Sperre befand. Sie wandte dem engen Spalt den Rücken zu und stieß erneut einen Pfiff aus.
Etwa hundert Meter von ihnen entfernt war eine niedrige Barriere auszumachen.
Odrade ließ Sheeanas Hand los. »Bleib bitte hier! – Waff?«
»Ich höre die Thopter«, meldete sich Waff.
»Wir hören sie auch«, sagte Odrade. »Sie setzen zur Landung an. Wir werden bald Hilfe erhalten. Bleiben Sie solange dort, wo Sie jetzt sind! Und verhalten Sie sich still! Ich brauche die Stille.«
Hin und wieder einen Pfiff ausstoßend und dabei vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend arbeitete Odrade sich tiefer in die Finsternis hinein. Ihre ausgestreckte Hand berührte plötzlich eine schartige Felsoberfläche. Sie tastete den Fels ab. Er war etwa hüfthoch. Ob etwas dahinter lag, spürte sie nicht. Die Echos ihrer Pfiffe machten ihr klar, daß sich dort ein kleinerer Raum befand, der teilweise umschlossen war.
Aus dem Hintergrund rief eine Stimme: »Ehrwürdige Mutter! Sind Sie dort unten?«
Odrade
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