Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
seltsamen Wortes zu finden. Ghola. Die Bibliothek produzierte für ihn nicht mehr als harte Fakten: »Gholas: Menschen, die aus den Zellen von Leichnamen in den Axolotl-Tanks der Tleilaxu heranwachsen.«
Axolotl-Tanks?
»Eine Errungenschaft der Tleilaxu, um aus den Zellen eines Leichnams einen lebendigen Menschen zu reproduzieren.«
»Beschreib einen Ghola!« verlangte er.
»Ein reiner Körper, bar seiner ursprünglichen Erinnerungen. Näheres unter Axolotl-Tanks.«
Duncan hatte gelernt, wie man Schweigen interpretierte – jene leeren Stellen, in denen sich die Bewohner der Festung ihm offenbarten. Die Enthüllung überfiel ihn. Er wußte es! Er war erst zehn, und er wußte es!
Ich bin ein Ghola.
Am Spätnachmittag, während die gesamte esoterische Maschinerie, die ihn umgab, in den Hintergrund seines Wahrnehmungsbereiches zurückwich, saß der zehnjährige Junge stumm vor einem Bildschirm und wurde sich über sein Wissen klar.
Ich bin ein Ghola!
Er konnte sich an die Axolotl-Tanks, in denen seine Zellen zu einem Kind herangewachsen waren, nicht erinnern. Seine ersten Erinnerungen bestanden aus Geasa, die ihn aus einer Wiege genommen hatte. In ihren Erwachsenenaugen, die bald darauf einen forschenden Blick gezeigt hatten, hatte er vorsichtiges Interesse erkannt.
Es war, als hätten die Informationen, die ihm die Bewohner der Festung und die Aufzeichnungen nur widerwillig gegeben hatten, endlich klare Umrisse angenommen: seine eigenen.
»Erzähl mir von den Bene Tleilax!« verlangte er von der Bibliothek.
»Ein Volk, das sich in zwei Gruppen aufteilt: die Gestaltwandler und die Meister. Gestaltwandler sind unfruchtbar und den Meistern ergeben.«
Warum haben sie das mit mir getan?
Die Informationsmaschinen der Bibliothek kamen ihm plötzlich fremdartig und gefährlich vor. Er hatte Angst – aber nicht vor der Vorstellung, seine Fragen könnten einen leeren Bildschirm hervorrufen, sondern davor, daß er Antworten bekam.
Warum bin ich für Schwangyu und die anderen so wichtig?
Er kam sich betrogen vor; sogar von Miles Teg und Patrin. Konnte man einfach die Zellen eines Menschen nehmen und daraus einen Ghola machen?
Die nächste Frage stellte er nach langem Zögern. »Kann sich ein Ghola an das erinnern, was er einmal gewesen ist?«
»Es ist machbar.«
»Wie?«
»Die psychologische Identität des Ghola mit dem Original setzt gewisse Empfindlichkeiten voraus, die durch Traumata entfacht werden können.«
Das war doch keine Antwort!
»Aber wie?«
An dieser Stelle kam Schwangyu herein. Sie betrat die Bibliothek unangemeldet. Also hatte irgend etwas an seinen Fragen sie auf den Plan gerufen!
»Du wirst alles irgendwann erfahren«, sagte sie.
Sie sprach ganz von oben herab. Er spürte die Ungerechtigkeit ihres Verhaltens, das Fehlen von Wahrheit. Irgend etwas in seinem Innern sagte ihm, daß er trotz seiner Unerfahrenheit über mehr Weisheit verfügte als all jene, die vorgaben, ihm überlegen zu sein. Sein Haß auf Schwangyu erreichte einen Höhepunkt. Sie war die Personifikation all dessen, was ihn quälte und seine Fragen in Frustration enden ließ.
Aber jetzt war seine Vorstellungskraft nicht mehr zu bremsen! Er würde seine ursprünglichen Erinnerungen wiederbekommen! Er spürte, daß es einfach so kommen mußte. Er würde sich an seine Eltern, an seine Familie, an seine Freunde ... und Feinde erinnern.
Und er stellte Schwangyu eine Frage: »Habt ihr mich wegen meiner Feinde gemacht?«
»Du hast bereits zu schweigen gelernt, Kind«, lautete ihre Antwort. »Halte dich an dein Wissen!«
Na schön. Deswegen werde ich dich bekämpfen, verdammte Schwangyu. Ich werde schweigen und lernen. Ich werde nicht zeigen, was ich wirklich fühle.
»Weißt du«, sagte sie, »ich glaube, wir ziehen einen Stoiker heran.«
Sie behandelte ihn gönnerhaft! Er wollte nicht gönnerhaft behandelt werden! Er würde sie bekämpfen, in aller Stille und Wachsamkeit! Duncan verschwand aus der Bibliothek und verkroch sich in seinem Zimmer.
In den folgenden Monaten bestätigten viele Dinge, daß er wirklich ein Ghola war. Selbst ein Kind merkt es, wenn die Dinge, die es umgeben, außergewöhnlich sind. Ab und zu sah er hinter den Mauern andere Kinder, die lachend und rufend die Ringstraße entlanggingen. Er fand Aufzeichnungen über Kinder in der Bibliothek. Diese Kinder wurden nicht von Erwachsenen aufgesucht, um ihnen eine Ausbildung zu geben, wie er sie erfuhr. Andere Kinder hatten keine Ehrwürdige Mutter Schwangyu,
Weitere Kostenlose Bücher