Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Vorhersehbarkeit hatten damit überhaupt nichts zu tun.
Teg wußte, daß die Atreides in dem Ruf standen, verläßliche Voraussagen zu machen, aber gleichnishafte Äußerungen hatten in seinem Universum keinen Platz. Man nahm das Universum so, wie man es vorfand, und wandte seine Prinzipien an, wo man es konnte. Absoluter Befehlsgewalt in der Hierarchie wurde stets gehorcht. Nicht etwa, daß Taraza die absolute Befehlsgewalt in Frage gestellt hätte, aber die Implikationen waren dagewesen.
»Du bist der Perfekteste für diesen Auftrag.«
Er hatte ein langes Leben mit vielen Höhepunkten gehabt und sich mit allen Ehren zurückgezogen. Teg wußte, daß er alt und langsam war und alle Defekte aufwies, die das Alter mit sich brachte, aber der Ruf zur Pflicht machte ihn schon in dem Moment schneller, als er den Wunsch in sich unterdrückte, ›Nein‹ zu sagen.
Taraza hatte ihm diesen Auftrag höchstpersönlich erteilt. Die mächtigste Seniorin von allen (einschließlich der Missionaria Protectiva) ließ ihn ganz auf sich allein gestellt. Sie war nicht nur eine Ehrwürdige Mutter, sondern die Ehrwürdige Mutter Oberin.
Taraza hatte ihn in seiner Pensionärsfreistatt auf Lernaeus aufgesucht. Es war eine Ehre für ihn, daß sie dies tat, und er wußte es. Sie erschien unangemeldet an seinem Tor, und nur zwei Helferinnen und eine kleine Wacheinheit begleiteten sie. Manche der Gesichter waren ihm noch bekannt gewesen. Teg hatte die Leute selbst ausgebildet. Ihre Ankunftszeit war interessant. Morgens, kurz nach dem Frühstück. Sie kannte das System, nach dem er sein Leben gestaltete, und wußte, daß er um diese Stunde am aktivsten war. Sie wollte ihn wach antreffen, in einem Augenblick, wo er voll bei der Sache war.
Patrin, sein alter Bursche, brachte Taraza in den Salon des Ostflügels, einen kleinen, eleganten Raum, der mit solidem Mobiliar ausgestattet war. Tegs Abneigung gegen Stuhlhunde und andere lebendige Möbel war wohlbekannt. Patrins Gesicht zeigte einen säuerlichen Ausdruck, als er die schwarzgekleidete Mutter Oberin hineinbat. Teg erkannte den Blick augenblicklich. Anderen gegenüber wäre Patrins langes, blasses und von allerlei Altersrunzeln durchzogenes Gesicht möglicherweise wie eine unbewegliche Maske erschienen, aber Teg erkannte an den vertieften Falten, die den Mund des Mannes umgaben, und am Blick seiner alten Augen, daß etwas im Gange war.
Demnach hatte Taraza beim Eintreten etwas gesagt, das Patrin störte.
Hohe Gleittüren rahmten den Raum nach Osten hin ein. Dahinter lag ein großer, abschüssiger Rasen, der bei den Bäumen am Flußufer endete. Taraza hielt im Innern des Raums kurz inne, um die Aussicht zu bewundern.
Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, drückte Teg einen Knopf. Vorhänge glitten vor die Fenster, Leuchtgloben flackerten auf. Tegs Vorgehen sagte Taraza, daß er ihr Bedürfnis nach einer gewissen Intimsphäre erfaßt hatte. Und er drückte dies weiterhin dadurch aus, indem er Patrin anwies: »Achte bitte darauf, daß wir nicht gestört werden!«
»Aber die Bestellungen für die Südfarm, Herr«, wagte Patrin einen Vorstoß.
»Bitte kümmere dich selbst darum! Du und Firus, ihr wißt doch, was ich haben will.«
Patrin schloß die Tür ein wenig zu heftig, als er hinausging. Es war nur ein winziges Signal, aber Teg sagte es viel.
Taraza machte einen Schritt vorwärts und begutachtete den Raum. »Zitronellengrün«, sagte sie. »Eine meiner Lieblingsfarben. Deine Mutter hatte ein gutes Auge.«
Diese Bemerkung erwärmte Teg. Er hegte eine tiefe Zuneigung für dieses Gebäude und sein Land. Seine Familie war zwar erst seit drei Generationen hier ansässig, aber sie hatte der Umgebung ihren Stempel aufgedrückt. Das, was seine Mutter geschaffen hatte, war in diesen Räumen noch immer spürbar.
»Es gibt einem Sicherheit, an einem bestimmten Platz zu sein«, sagte Teg.
»Besonders die orangefarbenen Teppiche im Korridor und die Metallglaslaterne über dem Eingang gefallen mir«, sagte Taraza. »Ich bin sicher, die Laterne ist eine echte Antiquität.«
»Du bist doch nicht gekommen, um dich mit mir über Innenarchitektur zu unterhalten«, sagte Teg.
Taraza lachte.
Sie hatte eine hohe, schrille Stimme, aber die Ausbildung der Schwesternschaft hatte sie gelehrt, sie mit einer verheerenden Wirkung einzusetzen. Es war eine Stimme, die man nicht ignorieren konnte, selbst dann nicht, wenn sie den Eindruck erweckte, einen gewollt beiläufigen Tonfall anzuschlagen – wie
Weitere Kostenlose Bücher