Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
einer Autopsie zu bestehen, Herr«, erklärte der Suk-Arzt mit leiser und ruhiger Stimme. »Und ich werde es zu Ihrem eigenen Besten tun. Ich erkenne, dass sie auf dem Gebiet politischer Intrigen noch unerfahren sind, nachdem Sie in der geschützten Umgebung des Hofes aufgewachsen sind. Sie halten mich zweifellos für einen Narren, aber ich versichere Ihnen, dass ich weiß, was ich tue. Ich habe das ganz deutliche Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.«
»Vielleicht hat der gute Doktor Recht«, sagte Fenring.
»Wie kannst du ...?« Als er ein eigenartiges Funkeln in Fenrings Augen bemerkte, verstummte Shaddam. Dann sah er den Arzt an und sagte: »Ich muss mich mit meinem Vertrauten beraten.«
»Natürlich.« Yungar beobachtete, wie sie sich ein Stück entfernten und an der Tür stehen blieben.
»Bist du wahnsinnig?«, flüsterte Shaddam, als er und Fenring unter sich waren.
»Lass ihm einfach seinen Willen. Denn dummerweise wird es zu einem ...« – Fenring lächelte, während er nach einem passenden Ausdruck suchte – »Missverständnis kommen, das zur Folge hat, dass der alte Elrood eingeäschert wird, bevor sie ihn aufschneiden können.«
»Ich verstehe«, sagte Shaddam zufrieden. Dann wandte er sich wieder an Yungar. »Einverstanden. Lassen Sie Ihren Kollegen kommen, damit Sie gemeinsam die Autopsie durchführen können. Mein Vater soll ins kaiserliche medizinische Zentrum gebracht werden, wo Sie Ihre Arbeit tun können.«
»Es dürfte etwa einen Tag dauern, bis mein Kollege eingetroffen ist«, sagte der Suk-Arzt. »Könnten Sie bitte veranlassen, dass die Leiche gekühlt wird?«
Shaddam lächelte verbindlich. »Selbstverständlich.«
»Dann würde ich mich jetzt gerne zurückziehen, Herr«, sagte der Suk, verbeugte sich und verließ hastig das Zimmer. Sein Arztgewand und der lange graue Pferdeschwanz, der von einem silbernen Ring zusammengehalten wurde, rauschten an ihnen vorbei.
Als sie allein waren, sagte Fenring mit einem gerissenen Lächeln: »Als zweite Möglichkeit wäre uns nur übrig geblieben, den Kerl zu töten. Und das dürfen wir nicht riskieren.«
Eine Stunde später kam es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände dazu, dass Imperator Elrood IX. im Krematorium des kaiserlichen Hofes eingeäschert wurde und seine Überreste spurlos verschwanden. Ein Leichenbeschauer und zwei medizinische Assistenten bezahlten für diesen Fehler mit ihrem Leben.
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Erinnerung und Geschichte sind zwei Seiten derselben Medaille. Doch mit der Zeit neigt die Geschichte zu einer vorteilhaften Sicht auf die Ereignisse, während die Erinnerung dazu verdammt ist, die schlimmsten Aspekte zu bewahren.
Lady Helena Atreides,
aus ihren persönlichen Tagebüchern
Vater, ich war noch nicht bereit.
Das nächtliche Meer von Caladan war aufgewühlt, und der Wind peitschte den Regen gegen die Fenster des Ostturms der Burg. In Herzog Letos Brust tobte ein ganz ähnlicher Sturm, der durch die Sorge um die Zukunft seines Hauses ausgelöst wurde.
Er hatte diese Pflicht viel zu lange vernachlässigt ... schon seit Monaten, um genau zu sein. Er hätte sich gewünscht, diesen Abend nur in Gesellschaft von Rhombur und Kailea an einem warmen Kamin zu verbringen. Stattdessen hatte er sich endlich dazu durchgerungen, die persönlichen Dinge des alten Herzogs durchzusehen.
Truhen mit den Sachen seines Vaters waren hereingebracht und an einer Wand aufgestellt worden. Diener hatten den Kamin entfacht, bis ein gemütliches Feuer darin brannte, und ein Krug mit Glühwein verbreitete den würzigen Duft nach Terrameg und einen Hauch von teurer Melange im Raum. Vier kleine Leuchtgloben spendeten ausreichend Licht für seine Zwecke.
Kailea hatte im Lager einen Pelzmantel gefunden, ihn zu ihrem Eigentum erklärt und sich hineingehüllt. Doch er hielt sie nicht nur warm, sondern stand ihr außerdem hervorragend. Trotz der radikalen Veränderungen in ihrem Leben, trotz ihres brutalen Erwachens aus den prächtigen Träumen von einem Leben am imperialen Hof war die Vernius-Tochter eine Überlebenskünstlerin. Kailea schien es durch reine Willenskraft zu gelingen, ihre Umgebung so zu manipulieren, dass sie stets das Beste daraus gewann.
Ungeachtet der politischen Nachteile einer Romanze mit der Renegatenfamilie fühlte sich Herzog Leto – nun der Herrscher seines eigenen Großen Hauses – um so mehr zu ihr hingezogen. Aber er erinnerte sich an die erste Herrschaftsregel seines Vaters: Heirate niemals aus Liebe, wenn du
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