Dunkel ist die Sonne
Minuten nahm die Menge ihre geräuschvollen Geschäfte wieder auf, und Tiere und Vögel lärmten auf ihre Art weiter.
„Jetzt kriegen sie gleich den zweiten Schock“, b e merkte Sloosh. Er spielte damit auf die zu erwartende Reaktion auf ihren Auftritt an.
Sloosh, der ein ganzes Netz voller Rotohrköpfe hinter sich herschleppte, trat hinter einem Baum hervor und watete durch das Wasser. Die Shemibob kam als nächste; auch sie zog ein Netz hinter sich her. Deyv saß auf ihrem Rücken. Dazu hatte er sich noch im letzten Moment en t schlossen. Er sollte als Vermittler auftreten, und obwohl es ihm widerstrebte, auf ein höheres Wesen aufzusteigen, wirkte er vielleicht doch mächtiger, wenn es so aussah, als lenke er die Schlangenzentaurin.
Vana kam als letzte. Sie trug das Baby auf einem Arm und in der anderen Hand einen Speer, mit dem sie die Gefangene antrieb.
Man erblickte sie fast sofort. Es ertönten Schreie, und dann begann eine wahnsinnige Jagd den Berg hinauf. Als die Fremden den Fuß des Berges erreicht hatte, war er verlassen. Hinter den letzten der wie wild Flüchtenden schloß sich das Tor. Über der Einfriedung tauchten G e sichter auf, und der Aussichtsturm füllte sich mit entset z ten Menschen.
Die Eindringlinge erreichten schließlich das Plateau mit dem Dorf. Sloosh öffnete sein Netz und holte die Köpfe heraus. Ein vielstimmiger Schrei der Verwund e rung erhob sich von den Schauenden. Der Pflanze n mensch fing an, die Köpfe über das Tor zu werfen.
Deyv rief zu ihnen hinüber: „Seht die Geschenke, die wir euch bringen! Die Rotohren werden euch nie mehr angreifen! Eure Pflanzen und eure Krieger sind sicher vor ihnen! Wir haben sie getötet, um euch unsere Freundschaft zu beweisen!“
Als er seine Ladung endlich losgeworden war, leerte Sloosh noch das Netz der Shemibob und warf den Inhalt auf den Boden.
„Kommt heraus und holt sie euch!“ rief Deyv. „Jeder Stamm kann seine eigene Trophäe haben! Steckt sie euch auf Pfähle, auf daß ihr euch immer daran erinnern möget, wie der große Deyv und seine Freunde, die Shemibob und der Archkerri – und seine große Frau …“ Er fügte dies hinzu, da er wußte, daß es Vana kränken würde, wenn er sie ausließe, „… wie sie die furchtbaren Roto h ren mühelos töteten, ebenso mühelos, wie sie in kürzester Zeit sechs Stämme töten könnten.“
„Nicht übertreiben“, warnte die Shemibob leise.
„Aber wir kommen als Freunde, nicht um zu töten! Wir kommen, euch an einen Ort zu führen, wo die Er d beben euer Land nicht zerreißen und euch nicht vernic h ten werden!“
Vana trieb die Gefangene nach vorn.
„Hier ist Be’nyar!“ sagte Deyv. „Wir nahmen sie von euch, auf daß wir eure Sprache und eure Sitten kenne n lernten, ja, alle eure Geheimnisse! Wie ihr seht, ist ihr kein Leid geschehen! Kommt heraus und holt sie!“
Diknirdik, der Schamane der Chaufi’ng, stand auf e i ner Plattform an der Innenseite der Mauer nahe dem Tor. Bei ihm waren die Schamanen der anderer Stämme. Er war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mittl e ren Alters mit einem zweispitzigen, mit Federn besetzten Hut. An seiner Oberlippe klebten kleine rote Federn; das übrige Gesicht war mit dünnen, waagerechten Streifen in Weiß, Schwarz und Grün bemalt. Ihm fehlten oben vier Zähne.
Er drehte sich um und sagte etwas zu den anderen. Sie sprachen einen Augenblick lang erregt miteinander, b e vor er seine Aufmerksamkeit wieder den Eindringlingen zuwandte.
„Geht!“ schrie er. „Wir wissen euer Geschenk der Rotohrköpfe zu schätzen! Wir danken euch dafür, und wir werden unseren Ahnen zu eurer Lobpreisung Opfer darbieten! Wir werden ihnen sagen, daß ihr unsere Freunde seid, und sie werden euch nicht schaden!
Aber wir bedürfen eurer Gegenwart nicht länger! Wir fürchten, daß die Dämonen, die ihr bei euch habt, den Kindern Angst machen werden!“
Deyv lachte und fügte hinzu: „Um nicht zu sagen, e u ren tapferen Kriegern!“
Die Shemibob sagte: „Beleidige sie nicht ohne Grund! Sie wollen besänftigt sein, nicht erzürnt. Aber du mußt dafür sorgen, daß sie Ehrfurcht vor uns haben.“
„Das weiß ich“, murmelte Deyv. „Ich kann auch de n ken.“
„Dann tue es!“
„Also gut“, brüllte er, „wir werden uns zurück bis an den Fuß des Berges begeben. Dort werden wir unser L a ger aufschlagen, bis ihr euch entschließt, herauszuko m men und unsere Freunde zu werden. Glaubt mir, bis jetzt habt ihr euch nicht wie Freunde
Weitere Kostenlose Bücher