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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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wo sonst, wenn nicht hier in der Kirche, sie wohl an einem Sonntagmorgen um diese Zeit sein könnten. Natürlich war es erst vierundzwanzig Stunden her, da man den Leichnam ihrer Tochter gefunden hatte, aber dennoch …
    â€žVielleicht“, meinte sie, „war Mrs. Fallon zu sehr von Bridies Tod erschüttert, als dass sie …“ In diesem Augenblick entdeckte sie auf einmal ein bekanntes Gesicht in der Menge – zwei bekannte Gesichter sogar, wenngleich nicht die der Fallons. Die beiden waren jung und hatten helles blondes Haar, das Mädchen war klein und zierlich, der junge Mann groß und behäbig. „Evie!“, rief Nell. Wie hieß noch mal ihr Bruder? Ach ja … „Luther!“
    Evie schaute Nell einen Moment lang verwundert an, bevor sie sich wieder an sie erinnerte. Schüchtern kam sie herüber, wie immer gefolgt von ihrem Bruder, der neben ihr wie ein zu groß geratener Kuschelbär wirkte. „Sie waren doch die Künstlerin, die uns bei der Tuchfabrik gezeichnet hat!“
    â€žGanz genau – Nell Sweeney.“ Nell stellte den Geschwistern Will vor, der höflich den Hut zog und sich vor Evie verneigte.
    â€žSind Sie mit Mr. Harry verwandt?“, fragte Evie ihn.
    â€žIch bin sein Bruder“, erwiderte Will.
    Luther starrte Will mit halb offenem Mund an. „Du sprichst aber komisch.“
    Will reagierte mit so freundlicher Selbstverständlichkeit, als würden sie auf irgendeiner Abendgesellschaft miteinander plaudern. „Ich bin in England aufgewachsen.“
    â€žIst das hier in der Nähe von Boston?“
    â€žNein, leider nicht.“
    â€žEvie“, sagte Nell, „du kennst nicht zufällig Mr. und Mrs. Fallon? Bridie Sullivans Eltern“, fügte sie hinzu.
    â€žDie Mutter kenne ich vom Sehen“, meinte Evie. „Nachdem man Bridie rausgeworfen hatte, war ihre Mutter mal in die Spinnerei gekommen, um uns nach ihr zu fragen. Wirklich schrecklich, was da passiert ist … Pfarrer Dunne hat es uns am Anfang der Messe erzählt.“
    â€žBridie ist tot“, sagte Luther.
    â€žRuhig, Luther“, murmelte seine Schwester. „Das wissen wir nun alle.“
    â€žSie war ein schlechtes Mädchen.“
    â€žRuhig, habe ich gesagt“, wiederholte Evie, nun etwas nachdrücklicher. „Du sollst nicht schlecht von den Toten sprechen.“
    â€žHast du gesehen, ob sie heute Morgen in der Kirche war?“, fragte Nell.
    â€žOh ja, natürlich. Mrs. Fallon – die kommt jede Woche. Mr. Fallon auch, meistens zumindest. Und heute waren sie beide da.“
    â€žWeißt du, wo sie jetzt sein könnten?“, fragte Nell weiter.
    â€žIch habe gesehen, wie sie nach der Messe in Pfarrer Dunnes Büro gegangen sind, mit noch irgendjemand. Kann sein, dass sie mit dem Pfarrer die Beerdigung besprechen, und der andere war vielleicht Bridies Mann, aber …“
    â€žAber was?“
    â€žDas kann ja eigentlich gar nicht sein … oder? Sie hat keinen Ehering getragen, und sie … sie hat sich nicht benommen, als ob sie verheiratet wär.“
    â€žGott sei Dank, dass die weg ist …“ Luther schüttelte seinen Kopf wie ein Pferd, das sein Zaumzeug abstreifen will. „Bridie war ein schlechtes Mädchen.“
    Evie hatte schon den Mund geöffnet, um Luther zurechtzuweisen, da fragte Will bereits: „Warum hast du das eben gesagt, Luther?“
    Luther schaute erst seine Schwester an, dann Will, und dann kratzte er sich seinen großen, wild zerzausten Schädel. „Da gibt’s viele Gründe …“
    â€žSag einfach einen.“
    â€žSie wollte, dass Mr. Harry ihr Geld gibt.“
    â€žEvie hat dir von der Erpressung erzählt?“, fragte Nell.
    â€žNein, er weiß gar nichts“, mischte Evie sich ein.
    â€žIs’ so wie klauen, wenn man will, dass einer einem einfach so Geld gibt“, sagte Luther.
    â€žUnd weshalb war Bridie noch ein schlechtes Mädchen?“, fragte Nell weiter.
    Luther zog den Kopf ein. „Darf ich nicht sagen.“
    â€žWegen der Sachen, die sie … mit Männern gemacht hat?“, schlug Nell vor.
    â€žGanz genau“, sagte Evie. „Aber davon versteht Luther nichts …“
    â€žNicht wegen den andern war sie schlecht, nur wegen Mr. Harry“, fuhr ihr Bruder unverdrossen fort. „Wegen dem, was sie mit Mr. Harry gemacht hat – weil er und Evie sich

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