Dunkelerde: Gesamtausgabe
Wie von Dunkelerde? Nein, schlimmer: Der Lehrer! Wie war noch die Frage gewesen? Ja, wie sollte Pet das überhaupt überleben bis zum Mittag?
Und dann geht es ab nach Dunkelerde. Das weiß ich ganz sicher. Wenn ich Pech habe... für immer. Oder bin ich bis heute Abend schon... tot?
Verflixt, jetzt hatte er die Wiederholung der Frage auch noch verpasst. Das konnte ja alles nur noch heiter werden...
*
Der Mittag kam weit schneller, als es Pet eigentlich lieb sein konnte. Es wurde ihm mit einem Schlag bewusst, dass die heutige Serie von höchstpersönlichen Pleiten im Unterricht absolut gar nichts war gegenüber dem, was er jetzt noch vor sich sah. Wenn es ihn nicht so sehr getrieben hätte, wäre er nach Schulschluss lieber in die entgegengesetzte Richtung geeilt und vorläufig nicht nach Hause zurückgekehrt, um die Konfrontation mit dem, was auf dem Speicher auf ihn lauerte. möglichst lange vor sich her zu schieben. Doch es gab keinen Ausweg. Die fremde Macht, die ihn antrieb, war nicht zu besänftigen. Es war die Vererbung von Harald Magnus, dem er mehr verdankte, als nur seinen Namen. Er hatte seine Fähigkeiten geerbt. Sie waren von Generation zu Generation weiter gereicht worden, bis zum heutigen Tag.
Wäre Dunkelerde nicht entstanden, überlegte Pet auf dem Nachhauseweg, würde es die Alchimisten heute noch geben. Ich wäre einer von ihnen. Es hätte sich eine ganz andere Welt entwickelt. Vielleicht völlig ohne Autos, Flugzeugen, Handys und so. Aber sie wäre möglicherweise nicht besser als die Welt, die er kannte. Vielleicht wäre sie sogar so wie Dunkelerde geraten?
Niemand vermochte das zu sagen, am allerwenigsten er selber. Aber es interessierte ihn zur Zeit auch nicht mehr. Seine Gedanken fokussierten sich ganz ohne sein Zutun mehr und mehr auf die bevorstehende Aufgabe.
Wenn ich nur wüsste, wie diese Aufgabe überhaupt lautet!, klagte er im Stillen.
Er war allein auf dem Nachhauseweg, seit er sich von Jule getrennt hatte. Sie hatten nur ein paar Schritte gemeinsamen Weg und sie hatte auch heute erst mal nach Hause gehen wollen. Kein Wunder, denn ihre Eltern waren genauso krank vor Sorge wie die Eltern von Pet. Allzu gern hätten sie ihren Kindern geholfen, in irgendeiner Weise, aber es gab nicht die geringsten Möglichkeiten für sie. Allerdings hätten sie ihren Kindern in anderer Weise beistehen können. Sie hätten sie vielleicht zu trösten versuchen sollen, aber sie kamen nicht einmal auf die Idee vor lauter eigenen Sorgen. Pet hätte es seinen Eltern sagen können, aber das traute er sich nicht. Er sah doch selber, dass sie mehr noch des Trostes bedurften als Jule und er.
Irgendwie wundere ich mich, dass ich nicht vor Angst sterbe!, überlegte Pet. Ist es, weil die Kräfte von Harald Magnus in mir schlummern, obwohl sie in dieser modernen Welt überhaupt keine Chance haben, etwas wie magische Macht zu entfalten, weil damals so gut wie alle Magie aufgebraucht worden ist zur Schaffung von Dunkelerde - für immer?
Nein, es war nur das Buch, die Resonanz jener Macht, die darin gebunden war und nur auf Jule und ihn wirkte - und auch das nur im Zusammenhang mit Dunkelerde. Das Buch war Zwang und Stütze zugleich. Sonst wäre Pet wirklich eher vor Angst gestorben, denn allzu mutig war er sein Lebtag noch nicht gewesen.
Endlich kam er zu Hause an: So sah es ein Teil von ihm. Der andere Teil dachte sich: Viel zu früh! Vielleicht hätte ich noch ein paar Minuten gebraucht, ganz los gelöst von alledem?
Nein, er hatte wirklich keine Wahl, auch wenn er es sich noch so sehr wünschte.
Seine Eltern empfingen ihn diesmal in der Küche.
„Ich weiß, dass es heute zur Entscheidung kommt”, sagte sein Vater und wagte es nicht, seinem Sohn dabei in die Augen zu schauen, als würde er sich schämen ob seiner eigenen Ohnmacht.
„Ich habe dir was Feines zu Essen gemacht, Pet. Du wirst alle Kräfte brauchen.”
„Ich habe keinen Appetit”, gestand Pet. „Wie denn auch?”
„Iss lieber, Pet!”, riet ihm der Vater. „Wer weiß, wann du wieder was Richtiges zwischen die Zähne bekommst.”
„Du weißt, dass ich heute nach Dunkelerde gehen werde?”
„Ja, Pet!”
„Aber ich will das gar nicht. Ich will nur gemeinsam mit Jule einen Blick hinüber werfen, mehr nicht. Das haben wir gestern schon getan.”
„Ich - ich habe es gespürt - und deine Mutter auch.”
„Und die Eltern von Jule?”
„Ebenfalls!”, bekannte sein Vater. „Ach, wir schämen uns so sehr, dass wir euch in
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