Dunkle Flammen Der Leidenschaft
mit zu sich nehmen würde – und nicht, dass Silberhaar mich in einem Stall gefangen halten würde, wo die einzigen Essenzen, die ich aus dem Holz unter meiner Hand erspüren konnte, von Pferden stammten.
Silberhaar riss mir die Decke vom Leib. In den Stallungen war es nicht windig, doch die Kälte fühlte sich trotzdem an wie ein Faustschlag. Ich hatte vorher schon gefroren, doch ohne das bisschen Körperwärme, das die Decke konserviert hatte, zitterte ich so heftig, dass die Stricke um meine Hand- und Fußgelenke mir in die Haut zu schneiden begannen.
Entweder gefiel Silberhaar mein Gebibber, oder er genoss es, sich mit der Folter Zeit zu lassen. Seine kornblumenblauen Augen waren durchsetzt von Grün, als er mich musterte.
»Wo nur soll ich anfangen?«, fragte er sich laut.
Marty begann wieder zu brüllen und zu fluchen, schwor Silberhaar Rache, wenn er mir etwas antat. Was den Vampir nur zu amüsieren schien. Meine Mutlosigkeit wuchs, bis ich das Gefühl hatte, daran zu ersticken. Ich konnte Kontakt zu Vlad aufnehmen, ihm aber nur sagen, dass ich in einem Stall war. Ich wusste nicht mal, ob ich mich überhaupt noch in Rumänien befand oder wie lange ich bewusstlos gewesen war, sodass ich ihm keinerlei Anhaltspunkte liefern konnte.
Das hast du nun davon, dass du dachtest, du könntest jemanden austricksen, der Jahrhunderte älter ist als du, spottete meine heimtückische innere Stimme. Wegen deines prahlerischen Geredes werden dein Freund und du sterben, und du kannst nichts tun als schreien.
FICK dich!, dachte ich, und spürte eine stählerne Härte in mir aufsteigen. Diese düstere innere Stimme war für meine schlimmsten Fehler verantwortlich, zum Beispiel dafür, dass ich die Affäre meines Vaters im Zorn ausgeplaudert und mir die Pulsadern aufgeschnitten hatte und dann nach meiner Heilung vor meiner Familie geflohen war. Jetzt würde ich sie nicht wieder mein Handeln bestimmen lassen. Ja, all meine Pläne waren zunichte, aber ich würde neue schmieden. Womöglich würde ich sogar sterben, aber nicht ohne zuvor jede Sekunde zu kämpfen.
»W… w… wie heißt du?«, fragte ich, so heftig mit den Zähnen klappernd, dass ich plötzlich zu stottern anfing. »I… i… ich will keine Zeit schinden, aber wenn d… d… du mich foltern willst, sollten wir wenigstens unsere V … Vornamen kennen.«
Er lachte. Unter anderen Umständen hätte ich jemanden mit einem so attraktiven Gesicht, lebhaften blauen Augen und athletischem Körperbau gut aussehend gefunden, aber man konnte ja schlecht auf jemanden stehen, wenn man wusste, dass er einen gleich filetieren würde wie ein saftiges Steak.
»Ich kam unter dem Namen Aron Razvan zur Welt, aber seit drei Jahrhunderten nenne ich mich, … äh, die englische Übersetzung wäre wohl Fleischer.«
War ja nicht weiter überraschend, dass sein Spitzname gewalttätiger Natur war. Kein Möchtegern-Verbrecher würde sich schließlich Blütenblatt nennen.
»Leila D… Dalton«, presste ich hervor. Wenn ich noch heftiger zitterte, würde ich mir was ausrenken.
Wieder ein joviales Lächeln. »Nun, Leila, das hier wird wehtun, aber wenn ich herausfinde, dass du nicht versuchst, Szilagyi zu hintergehen, bringe ich dich zu ihm, sobald ich dich geheilt habe.« Sein Lächeln verblasste, und seine Augen wurden grün, bis kein bisschen Blau mehr zu sehen war. »Aber wenn du versuchst, uns hinters Licht zu führen, wirst du es bereuen.«
Dann traf das bleiche Elfenbeinmesser auf meine Schulter zum Zeichen, dass Fleischer seine Ansprache beendet hatte.
39
In den vergangenen dreizehn Jahren war mir der Schmerz so vertraut geworden, dass ich ihn in Phasen von mild, moderat, akut, intensiv, unerträglich und befreiend einteilen konnte. Das Letzte hört sich vielleicht seltsam an, aber wenn man schon jedes Maß überschritten hat und noch immer am Leben ist, ist die letzte Stufe – die, die unvermeidlich zum süßen Nichts des Todes führt – eine Erleichterung.
Im Augenblick hatte ich bei Fleischer zum dritten Mal die Stufe »befreiend« erreicht. Wie bei den letzten beiden Malen würde er eine von vielen Spritzen nehmen, die er zuvor mit seinem Blut gefüllt hatte, mich zwingen, es zu schlucken, und damit die Verletzungen kurieren, die er mir zugefügt hatte, bevor ich seine Pläne zunichtemachte, indem ich starb. Aber genau da, als ich auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod balancierte, hatte ich einen Augenblick der Klarheit.
Ich musste nur aushalten, bis er sich
Weitere Kostenlose Bücher