Dunkle Flammen Der Leidenschaft
fragte: »Und dann?«
Als ich schnaubte, stieg eine weiße Hauchwolke in die Luft. »Du willst die Vergangenheit gleichzeitig im metaphorischen und im wörtlichen Sinne ausgraben?«
Seine Augen leuchteten mich durch seinen Haarschleier hindurch grün an, als er zu mir aufsah. »Ich bin eben multitaskingfähig.«
Ich wollte es ihm erzählen. Das lag nicht daran, dass er mir angeboten hatte, all meine Fragen zu beantworten. Es lag daran, dass er nicht ausgewichen war, als ich ihn mit seiner schlimmsten Sünde konfrontiert hatte. Wie also hätte ich mich da weiter weigern können, über meine zu sprechen?
»Ich habe darum gebettelt, dass er ein Jahr allein gehen oder mich bei meiner Tante Brenda lassen sollte, damit ich an den Qualifikationswettkämpfen teilnehmen konnte. Ich wollte es unbedingt ins Team schaffen und war so sauer auf meinen Dad, der mir wegen seines Jobs alles ruinieren wollte.« Ich stieß einen bitteren Seufzer über meine eigene Dummheit aus. »Meine Mutter lehnte beide Optionen ab, weil sie meinte, die Familie müsste auf jeden Fall zusammenbleiben. Da habe ich ihr erzählt, was ich eine Woche zuvor gefunden hatte, als ich auf der Suche nach einer Campingausrüstung eine Truhe meines Vaters durchforstet hatte.«
Vlad hatte inzwischen etwa einen Meter tief gegraben und war von Erdhaufen umgeben, die sich als dunkle Flecken auf dem Schnee abzeichneten. Als ich verstummte, hielt er inne und maß mich wieder mit einem herrischen Blick.
»Für jemanden, der so klug war wie er, war es eine ziemliche Dummheit, einen zerknüllten Brief seiner Geliebten in seinem Matchbeutel liegen zu lassen«, fuhr ich fort. »Ich erzählte meiner Mutter, dass er sie betrogen hatte – allerdings nicht, weil ich der Meinung war, sie hätte ein Recht, es zu wissen, sondern weil ich mich an ihm rächen wollte, weil er meinen olympischen Traum zerstört hatte, und an ihr, weil sie mich nicht bei meiner Tante lassen wollte. So war ich. Ein krankhaft narzisstisches Biest.«
Vlad grub nicht weiter, kniete aber noch immer im Schnee und starrte mit einem ganz seltsamen Gesichtsausdruck zu mir empor. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich begriff, was es war. Mitgefühl . Kein Wunder, dass ich es nicht gleich erkannt hatte. Eine solche Emotion hatte ich bei ihm noch nie erlebt.
Ein ersticktes Lachen. » Deswegen empfindest du endlich Mitleid?«
»Du warst ein verwöhntes Kind, das etwas Grausames getan hat. Du hättest eine Tracht Prügel und Zimmerarrest verdient, aber nicht, alles zu verlieren.«
Ich wischte mir über die plötzlich feuchten Augen. »Ach? Ich wollte bei meiner Tante bleiben und habe meinen Willen bekommen. Meine Mutter, meine Schwester und ich sind bei Tante Brenda eingezogen, nachdem Mom meinem Vater gesagt hatte, er müsse allein nach Deutschland reisen, während sie darüber nachdachte, wie es weitergehen sollte. Dann, einen Monat später, rissen Tornados einige Bäume in unserem Viertel um. Ich hörte einen Hund draußen jaulen. Es war ganz seltsam; der Hund saß einfach da, von Ästen umgeben. Ich habe die herabgestürzte Hochspannungsleitung nicht gesehen. Ich machte mich daran, die Trümmer beiseitezuräumen … und dann kam ich erst wieder im Krankenhaus zu mir.« Ein scharfes Auflachen. »Die Ärzte meinten, ich hätte Glück gehabt, dass die Wucht des Stromschlags mich quer durch den Garten geschleudert hatte. Sonst wäre ich an der Hochspannungsleitung hängen geblieben und verbrannt. Was allerdings niemand erklären konnte, war, warum meine Mutter durch die Restspannung in meinem Körper umkam, als sie versuchte mir zu helfen, während die Elektrizität mir nichts hatte anhaben können.«
»Warum?« Vlads Lippen kräuselten sich, sein mitfühlender Gesichtsausdruck war verschwunden. »Manches geschieht einfach, Leila. Du hast überlebt. Sie nicht. Die Frage nach dem Warum ist ebenso irrelevant wie zwecklos.«
Nach allem, was ich erlebt hatte, wusste ich, dass das stimmte. Aber es konnte den Schmerz über den Tod meiner Mutter nicht vertreiben, ganz zu schweigen die Schuldgefühle, weil ich meine Familie auseinandergerissen hatte.
Vlad begann wieder zu graben. Entweder wurde er ungeduldig, oder der Boden war tiefer unten nicht mehr so fest gefroren, denn er kam jetzt schneller voran.
»Wieder bist du naiv. Die Untreue deines Vaters hat deine Familie auseinandergerissen. Du warst nur der Unglücksbote.«
Was ich als Nächstes sagte, hatte ich noch niemandem erzählt, und es brauchte zwei
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