Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
nicht«, erwiderte Terry. »Ich hab zu ihr runtergeschaut, und sie hat zu mir hochgeschaut und gelacht. Nicht irgendwie nett, als hätten wir nur eine Meinungsverschiedenheit gehabt, sondern als wüsste sie, warum ich das getan habe. Weil ich eben eine Schwuchtel war und ihren Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Das Schlimmste daran war, dass sie mich gleichzeitig bemitleidete und sich über mich lustig machte. Ich war so wütend, dass ich von dem Ast runtergesprungen bin und dabei die Füße angezogen hab, wie bei einer Arschbombe. Und ich hab sie auch erwischt. Ich weiß noch genau, wie ich nach unten geschaut und ihr Gesicht gesehen habe. Plötzlich hatte sie Schiss, und ich muss zugeben, das hat mich gefreut. Ich bin direkt auf ihr gelandet, und zwar mit voller Wucht. Wir sind beide untergegangen.
    Als ich wieder auftauchte, war ich nicht mehr wütend, sondern hatte Angst. Ich wusste, was ich da gerade getan hatte. Ich suchte nach ihr, konnte sie aber nirgends entdecken. Dann sah ich im Mondlicht, wie sie wie ein Korken aus dem Wasser schoss. Ich glaube, sie hat sich ein wenig geschüttelt, als wollte sie den Kopf freibekommen. Sie trieb flussabwärts, und da bin ich ihr nachgeschwommen. Ich hab mich wirklich angestrengt, aber sie hat sich immer weiter von mir entfernt. Ich konnte sie einfach nicht einholen.Sie hat versucht zu schwimmen, aber gegen die Strömung kam sie nicht an. Sie hat geschrien, Sue Ellen. Sie hat geschrien und meinen Namen gerufen, und dann ist sie untergegangen.
    Ich war am Ende meiner Kräfte. Ich bin ihr nicht nachgeschwommen. Wenn ich das getan hätte, wäre ich ebenfalls ertrunken, und das wusste ich. Also hab ich versucht, ans Ufer zu kommen. Erst sah es so aus, als würde ich es nicht schaffen. Fast hätte ich mir das gewünscht, aber ich war auch feige und wollte überleben, also schwamm ich weiter. Und irgendwann hab ich das Ufer erreicht. Ich hab das Wasser nach ihr abgesucht, konnte sie jedoch nicht finden. Sie war untergegangen, und so weit ich sehen konnte, war sie nicht wieder aufgetaucht.«
    »Himmel, Terry!«
    »Das war noch nicht das Schlimmste. Ich bin das Ufer langgerannt und hab ihren Namen gerufen, aber ohne Erfolg. Und dann bin ich dorthin gekommen, wo der Fluss eine Biegung macht, und da war sie. Sie hing fest und wurde immer wieder gegen das Ufer geworfen. Ich packte sie und zerrte an ihr, bis ich sie aus dem Fluss rausbekam. Ich weiß nicht, wie weit ich sie geschleppt hab, aber als ich mich umdrehte, war der Fluss ein ganzes Stück weg. Ich legte sie aufs Gras. Redete mit ihr. Brüllte sie an. Setzte sie auf, beugte sie vornüber, damit vielleicht das Wasser aus ihr rauslief. Aber sie war tot.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich verlor die Nerven und fing an, ziellos in der Gegend herumzulaufen. Schließlich ging ich zum Fluss, holte meine Kleider und zog mich an. May Lynn habe ich auch angezogen, weil ich es nicht ertragen konnte, dass sie so nackt war. Ich zog ihr die Kleider über, so gut ich eben konnte. Dann ließ ich sie dort zurück und beschloss, nach Hause zu gehen. Plötzlich war mir alles klar. Ich würde einfach nach Hause gehen. Aber auf halbem Weg dachte ich dann: Ich hab meine Freundin dort tot liegen lassen und will niemandem was davon erzählen.Ich kann das nicht erklären. Ich war sicher, dass die Leute glauben würden, ich hätte sie umgebracht … Was ja vermutlich auch stimmt. Bevor ich nach Hause ging, hab ich noch einen Umweg dorthin gemacht, wo mein Stiefpapa alles deponiert hat, was er meiner Mutter weggenommen hat. Er war wütend geworden und verlangte nicht nur, dass sie mit der Näherei aufhörte, sie musste ihm auch noch helfen, ihre ganzen Sachen, alles, was damit zu tun hatte, hinten auf seinen Wagen zu laden. Wir sind zum Fluss runter, rückwärts an die Böschung rangefahren, und dann musste ich mit ihm hinten auf die Ladefläche und ihm helfen, alles wegzuwerfen. Er hat wohl gedacht, die Nähmaschine würde bis runter in den Fluss rutschen. Aber das ist sie nicht. Sie ist direkt am Ufer stecken geblieben.
    Als ich nach Hause gelaufen bin, habe ich mich an diese Sache erinnert, und in dem Moment hielt ich es für das Beste, May Lynns Leiche zu verstecken. Jetzt klingt das vielleicht nicht besonders schlau, aber als ich damals auf die Idee verfiel, kam sie mir vor wie ein Geniestreich.
    Bei der Nähmaschine lag auch einiges an Draht herum. Damit wurden Backsteine zu Stapeln zusammengebunden – offenbar hat er auf der

Weitere Kostenlose Bücher