Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Julio grimmig.
Mehrere Männer eilten mit Ricco auf einer Trage auf den Hangar zu. Marguarita lief ihnen entgegen, um sich die Verwundung des jungen Mannes anzusehen, während sie ihn zum Helikopter brachten. Eines der Rinder hatte Ricco im Unterleib erwischt, und die Wunde sah schlimm aus. Sehr schlimm. Marguarita befürchtete, dass er kaum eine Chance hatte, selbst wenn er rechtzeitig in die Klinik kam und ein Chirurg bereitstand. Sie blickte kurz zum Himmel auf und schaute Julio dann über die Trage hinweg fragend an.
Er sah genauso grimmig aus, wie ihr zumute war. Julio war nicht dumm. Er wusste, was ein panisches Rind anrichten konnte. Die Sonne stand noch wie ein roter Ball am Himmel, obwohl sie ihren Abstieg schon begonnen hatte. Kleine Wolkenfetzen zogen vor dem ansonsten klaren Blau dahin. Es war noch eine gute Stunde bis Sonnenuntergang, doch Ricco hatte diese Zeit nicht mehr. Und Marguarita hatte gesehen, was die Sonne bei Zacarias angerichtet hatte. Sie schüttelte den Kopf. Julio warf ihr einen beschwörenden Blick zu, als die Männer Ricco vorsichtig in den Helikopter luden. Marguarita stieg neben ihm ein und riss sein Hemd auf.
Sie atmete tief ein und versuchte, die Blutung zu stoppen, indem sie Druck auf die Wunde ausübte. Es war völlig unmöglich, dass Ricco es schaffen würde, egal, wie schnell sie den Helikopter in die Luft bekamen.
Zacarias. Sie wollte ihn nicht dazu zwingen, ihr eine Absage erteilen zu müssen, doch die Wunde war grauenvoll, und ohne Zacarias’ Hilfe würde Ricco es nicht lebend ins Krankenhaus schaffen. Ich brauche dich. Sie hatte keine Ahnung, ob Zacarias ihren Ruf beantworten würde – oder ob ihr Problem ihn auch nur interessierte -, aber sie musste es versuchen.
Sie spürte jedoch sofort eine Regung in ihrem Kopf, als wäre ihm die ganze Zeit bewusst gewesen, dass sie wach und nicht im Haus war. Bist du verletzt?, fragte er mit unüberhörbarer Sorge, bei der ihr gleich ganz warm ums Herz wurde.
Nicht ich. Ricco, einer der Arbeiter. Wir bringen ihn ins Krankenhaus, doch er wird es nicht schaffen, wenn du uns nicht helfen kannst.
Du möchtest, dass ich ihn dir zuliebe heile?
Ihr Herz schlug schneller, kam ins Stottern und begann dann wieder, wild zu pochen. Seine Stimme war so sachlich, und im Grunde war sie nicht einmal sicher, was sie von ihm verlangte. Aber er hatte es geschafft, sie zu retten, und auch sie hätte normalerweise nicht überleben können.
Was würdest du dabei riskieren? Sie musste es wissen – und biss sich auf die Lippe, weil es ihr plötzlich Angst machte, was sie von ihm verlangte. Dir darf nichts geschehen!
Für einen Moment spürte sie ihn ganz deutlich in ihrem Bewusstsein, wo er sie mit einer sanften Liebkosung berührte, die so gar nicht seiner ansonsten eher harten Art entsprach.
Zeig mir die Wunde! Sieh sie dir direkt an!
Marguarita hatte schon alle möglichen Verletzungen versorgt, aber noch nie eine solche. Sie war keine Krankenschwester, doch Riccos einzige Chance. Und deshalb schloss sie die Augen und befolgte Zacarias’ Anweisung. Mit einem widerlich schmatzenden Geräusch versanken ihre Hände in Blut und aufgerissenem Fleisch.
Ein leises Lachen neckte sie. Ich muss die Wunde sehen, kislány kunenak minan – meine kleine Närrin. Öffne die Augen!
Sie schluckte und gehorchte. Dann spürte sie Hitze durch ihren Körper fließen, und ihre Hände kribbelten und wurden heiß. Ihre Finger bewegten sich aus eigenem Antrieb, und für einen Moment war sie irgendwie nicht länger in ihrem eigenen Körper, sondern an Zacarias’ Seite und bewegte sich mit ihm durch Riccos Körper. Es war ein seltsam bewegendes Gefühl, ihre physische Hülle zurückzulassen und sich – in Form von Energie – durch einen anderen Menschen zu bewegen. Ihr Magen rebellierte, doch sie kämpfte, um die Fassung zu bewahren, und atmete tief durch.
Genauso plötzlich war sie wieder zurück in ihrem Körper. Sie fühlte sich ein bisschen schwach und schwindlig, konnte aber spüren, dass Zacarias sogar noch schwächer war als sie.
Das müsste vorhalten, bis er zu einem Arzt kommt, doch Ricco hat zu viel Blut verloren, Marguarita. Ich werde ihm von meinem geben müssen, oder all das war umsonst.
Sollen wir ihn ins Haus bringen? Kannst du überhaupt um diese Tageszeit schon aufstehen?
Riskier nicht, ihn noch einmal zu bewegen! Ich komme zu euch.
Aber das kannst du nicht! Das war unmöglich. Die Sonne würde ihn verbrennen. Was hatte sie getan? Bitte
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