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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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hängten die Piraten ihre Hängematten auf, die tagsüber zusammengerollt waren.
    "Ihr schlaft hier ", sagte der kleine Pirat nun, der sie hergeführt hatte. Er hatte einen starken Dialekt, wie ihn die niedersten Schichten Englands sprachen. Als er ging, ließ er ihnen sogar die Laterne da.
    "Kein off'nes Feuer."
    Sobald er weg war, entspannte Ramis sich ein wenig.
    "Wir leben noch ", stellte sie schließlich fest.
    "Ist es nicht toll, auf einem richtigen Piratenschiff zu sein?" Edward war ganz zappelig. "Wir werden Abenteuer erleben!"
    Ein weiterer Pirat, der ohne Anzuklopfen herein stapfte, unterbrach sie. Er warf einen neugierigen Blick ins Zimmer und auf die beiden neuen Schiffs jungen und warf ihnen dann zwei Hängematten zu.
    Ramis und Edward verbrachten den ganzen restlichen Tag ohne weitere Störung in dem dunklen Zimmer.
     
    Sobald sie beide sich schlafen gelegt hatten, holten die Gedanken Ramis wieder ein. Während sie Edwards gleichmäßigen Atemzügen lauschte, begann in ihrem Kopf die aufgeschobene Auseinandersetzung mit den jüngsten Ereignissen. Sie beneidete Edward um seine Fähigkeit, in jeder Situation schlafen zu können. Ihr gelang es nicht, die Bilder zu verdrängen.
    Alte und neue Schrecknisse vermischten sich und wurden wieder lebendig. Das brennende Haus, die Schreie, Madames und Lettice Augen, die Angst und gleichzeitig Sir Edwards Gesicht über ihrem, Marthas Trauer, ein viel älterer Schatten über ihr, der sich Ramis entzog. Es musste gegen Morgen sein, als sie schließlich einschlief. Doch auch hier wa r sie nicht sicher. Fiebrige Alpträume ließen sie nicht mehr los.
    Als sie unbarmherzig aufgeweckt wurden, erinnerte Ramis sich nur noch an einen: Sie war wieder in seinem Zimmer und durchbohrte Sir Edward mit einem Messer, doch als sie aufsah, war es nicht mehr er, der vor ihr stand. Es war Martha, die sie getötet hatte, in grauem Lumpen und strähnigem Haar. Ihr Blick war gebrochen und leer. Verfluchte! flüsterten ihre fahlen Lippen.
    Mit dem Gefühl einer überwältigenden Schuld stand Ramis auf, als ein selbst noch verschlafener Pirat sie aus den Matten gebrüllt hatte. Die Sonne war kaum aufgegangen und dennoch standen sie gähnend an Deck, noch immer in ihrer einzigen Kleidung, in der sie geschlafen hatten. Ramis war nicht aufgefallen, dass Edward die ganze Zeit seinen Beutel mitgeschleppt hatte, der jetzt sorgfältig verstaut unter seiner Matte lag.
    Auf Ramis wirkte alles schrecklich entmutigend, die Erinnerung an diese Nacht quälte sie. Die Ratten waren ihr viel bedrohlicher erschienen als auf ihrem Dachboden und sie hatte sich verzweifelt in den Schlaf geweint. Ihr Magen war in Aufruhr und sie glaubte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. An Deck erwartete sie schon der Mann namens Thomas, der sie unangenehm anstarrte. Seine Feindseligkeit war unverkennbar. Mit finsterer Miene deutete er auf zwei Eimer, die am Mast standen.
    "Ihr zwei schrubbt jetzt erst mal das Deck! Wenn ihr damit fertig seid, räumt ihr das Mannschaftsquartier auf! Verstanden?"
    Widerwillig nickte Ramis. Ihr war zum Heulen zumute. Auf Thomas Gesicht zeigte sich ein kleines Grinsen. Er hatte nicht vergessen, dass er wegen dieses Weibes gestern so ausgeschimpft worden war. Ramis sah zu Edward hinüber. Sie erschrak beinahe über das Ausmaß des so gar nicht kindlichen Hasses, den sie dort erkannte. Seine lange, wilde Mähne hing ihm wirr in die Augen. Aber sie liebte Edward zu sehr, um sein unversöhnliches Wesen wahrzunehmen. Für sie war er der verlorene Sohn, dessen Wiederkehr sie mit Glück erfüllte. Kein böses Wort über ihn. Sie waren beide viel zu früh mit der schlechtesten Seite der Menschheit in Berührung gekommen. Das schmiedete ein enges Band zwischen ihnen und sie klammerten sich aneinander wie zwei Ertrinkende im Sumpf der Welt an einen Strohhalm.
     
    Edward liebte Ramis mehr, als er es für möglich gehalten hätte. Sie war für ihn die Mutter, er war ihr so verbunden, als flösse dasselbe Blut durch ihre Adern. Zu Lettice hatte er nie eine Nähe spüren können, sie hatte es nie zugelassen. Er trauerte ihr bestimmt nicht nach, denn sie hatte ihn immer im Stich gelassen. Er folgte Ramis über Deck und betrachtete sie, wie sie vor ihm herging, die Eimer in der Hand. Ihr ungekämmtes Haar flatterte im Wind, sie hatte in der Eile vergessen, es zusammenzubinden. Es war ein tröstendes Gefühl, seine Hände darin zu vergraben und sie zu fühlen. Sie war die einzige für ihn, die zählte,

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