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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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bedeckt. Der Atem ging flach und schnell.
    "Was habt ihr mit ihr gemacht?" Er sprang plötzlich auf und schrie die Männer an. "Dreckskerle! Bastarde!"
    Er bedachte sie mit allen wüsten Ausdrücken, die er in der Gosse gelernt hatte. Einer der Männer bleckte die Zähne und packte ihn am Nacken.
    "He, du kleine Ratte! Was fällt dir ein?"
    Er stieß Edwards Kopf unsanft gegen die Wand, so dass dieser nur noch Sternchen sah. Mit einem höhnischen Lachen gingen sie hinaus.
     
    Edward versuchte Ramis wieder zu Bewusstsein zu bringen. Es gelang ihm nicht. Nun fürchtete er, Ramis könnte sterben. Doch dagegen würde er etwas unternehmen. Entschlossen machte er sich auf den Weg nach oben. Auf Deck suchte er die Umgebung nach der Piratin ab. Er entdeckte sie auf dem Quarterdeck, wo sie an der Reling lehnte und sich mit Thomas unterhielt. Niemand bemerkte den schmalen Jungen, der - gewohnt, im Schatten zu huschen - unauffällig über Deck schlich. Die Wachsamkeit der Mannschaft und ihres Kapitäns hatte nachgelassen, es war heiß geworden und der Wind hatte sich gelegt. Überrascht spannte die Piratin sich an, als sie kühles, scharfes Metall an ihrem Hals spürte.
    Eine nervöse Jungenstimme zischte: "Beweg dich nicht! Sonst bist du tot!"
    Obwohl noch ein Kind, scherzte der Junge nicht, das kapierte die Frau schnell. Sie kannte diese Sorte. In den Straßen aufgewachsen, wo es Barmherzigkeit nicht gab, zeigten diese Kinder sie ebenfalls nicht. Sie lernten, wie man zu überleben hatte, sonst waren sie es, die starben. Jemanden zu töten mochte ihnen nicht viel ausmachen. Trotzdem scheuten sie für gewöhnlich einen offenen Kampf.
    "Was willst du?" , murmelte sie vorsichtig, weil ihre Kehle beim Sprechen an die Klinge stieß.
    "Ich will, dass meine Tante versorgt wird!" Die Stimme des Jungen zitterte vor Wut und das Messer drückte sich fester gegen ihren Hals. Er hätte sie am liebsten gleich erstochen. "Ein Arzt soll nach ihr sehen!"
    "Nur mit der Ruhe! He, wo ist der verdammte Knochenbrecher? Er soll seinen Hintern sofort hierher bewegen!"
    Die glotzende Mannschaft, die überall ihre Arbeit niedergelegt hatte und nun bewegungslos dastand, kam nur langsam in Bewegung. Sie waren recht verblüfft, dass ein kleiner Bengel den Kapitän überwältigt hatte, vor dem sie einen großen Respekt hatten. Keiner, der sich nicht zu behaupten wusste, wurde Piratenkapitän, besonders keine Frau. Erst nach einem zweiten ungeduldigen Befehl seitens der Piratin setzte sich ein Matrose in Bewegung. Er kehrte eine Weile später mit einem beleibten Mann zurück, der mehr wie ein Koch aussah denn wie ein Arzt. Auf seinem Hemd waren Essensspuren.
    Wie auf vielen Schiffen üblich, versah er neben seinem Hauptberuf, dem Kochen, auch die ärztliche Versorgung von Verwundeten und Kranken. Um die war es zu Beginn des 18. Jahrhundert auf den Schiffen jedoch sehr schlecht bestellt. Ein brandig gewordenes Bein wurde mit einer schmutzigen Säge amputiert, es gab kaum Quarantäne für Seuchenerkrankte. Hygiene im ärztlichen Bereich existierte nicht. Wer krank wurde, war meist so gut wie tot. Gegen Skorbut gab es kein Heilmittel, man wusste nicht einmal, woher es kam. Die allermeisten Männer verlor man hier durch Krankheiten.
    Die erstaunte Miene des Arztes glättete sich schnell wieder, als ein scharfer Befehl ihn zwang, sich zu beeilen. In Begleitung von zwei Männern wurde er unter Deck geschickt, um Ramis zu holen. Edward wollte sehen, wie man sie behandelte. Seine Aufmerksamkeit ließ allmählich nach – ein unverzeihlicher Fehler zwischen Piraten. Natürlich nutzte sein bisheriges Opfer die Situation unversehens aus und kehrte sie um. Ehe er sich versah, flog das Messer davon und er über eine Hüfte, wonach er auf dem Boden landete. Die Frau lachte spöttisch und hob sein Messer vom Boden auf.
    "Na, kleiner Krieger, was ist nun?"
    Edward hob schützend einen Arm vors Gesicht. Die Piraten würden sicher wütend auf ihn sein und ihn jetzt umbringen. Er wusste nicht, was er eigentlich erwartet hatte. In diesen Augenblicken trugen die beiden Männer Ramis heran. Sie hielten inne, als sie die veränderte Situation wahrnahmen. Abwartend schauten sie ihren Kapitän an. Die kräftige Frau musterte Ramis nachdenklich und richtete ihre Augen dann wieder auf Edward. Er sah etwas darin aufblitzen, wusste aber nicht, was. Ramis hing indessen unverändert schlaff herunter, ihre Arme schlenkerten leicht wie die einer Puppe. Alles an ihr war verwahrlost, ihre

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