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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Schließlich war sie soweit, dass sie weitergehen konnten. Wohin, war ihnen nicht klar. Irgendwo in der Stadt gab es noch immer Lärm. Inzwischen musste sich die Polizei wegen der Straßenkrawalle eingeschaltet haben, denn aus der Ferne drangen undeutliche Befehle und ein paar Schüsse fielen.
    "Deine Mutter ist tot ", gab Ramis unvermittelt von sich. Ihr Gesicht war düster vor Trauer.
    Edward nickte nur.
    "Macht es dir denn gar nichts aus?" Ramis starrte ihn ungläubig an. "Ist es dir denn egal, dass alle, ALLE tot sind und dein Haus in Schutt und Asche liegt?"
    "Tante, es ist nun einmal vorbei. Man kann nichts mehr ändern. Und ich habe sie nicht geliebt..."
    Von da an schwieg Ramis, entsetzt über seine unkindliche Gleichgültigkeit, und hing ihren schweren Gedanken nach. Vielleicht ging es Edward ja auch nicht so zu Herzen, weil er nicht schuld war. Sie war es dagegen... Ein schwerer Hustenanfall unterbrach ihre Gedanken und schüttelte sie. Als er vorüber war, erzählte sie Edward von den Erlebnissen in dem brennenden Bordell. Irrte sie sich, oder zuckte sein Mund kurz? Sah er gar schuldbewusst aus? Ramis unterließ es, sich oder ihn nach dem Grund zu fragen. Manchmal war ihr der Junge ein Rätsel.
    Ramis und ihr junger Begleiter erreichten nun erneut den Hafen. Sie konnten nicht so recht sagen, was sie hier eigentlich wollten. Eine unwirkliche Atmosphäre lag über dem leise plätschernden Wasser, das gegen die Kaimauer stieß. Die großen Schiffe warfen schwarze Schatten und ganz matt schimmerte der Mond durch die Wolken. Sie rochen wieder den Rauch. Es war ein Fehler gewesen, zum Hafen zu gehen, Stimmen drangen zu ihnen herüber. Eine Gruppe von Piraten steuerte in ihre Richtung. Zwar schienen diese sie noch nicht gesehen zu haben, doch es war unvermeidlich, dass das bald passieren würde. Ramis blickte gehetzt hinter sich. Da war nur noch der Rand des Pflasters, wo das Wasser begann und dahinter schwammen die Schiffe. Doch nach hinten war der einzige Weg, den sie gehen konnten, ohne entdeckt zu werden. Ramis berührte Edward kurz an der Schulter, um ihn aufmerksam zu machen und wandte sich dann um. Zusammen huschten sie auf die Schiffe zu. Als wäre es ihr Schicksal, ständig im größten Unglück doch noch Glück zu haben, fiel ihr die heruntergelassene Gangway eines der Schiffe gerade in diesem Moment auf. Überrascht änderte Ramis ihren Kurs und hielt darauf zu. Edward folgte ihr, als sie den Steg hinauf aufs Deck eilte. Dort war keine Menschenseele. Ihre klebrigen Hände hielten sich wieder umklammert.
    Zwischen einigen auf dem Deck gestapelten Fässern fanden sie einen provisorischen Unterschlupf. Mit der Sorglosigkeit eines Kindes schlief Edward sofort ein, als sie sich im Dunkeln niedergelassen hatten. Ramis versuchte sich wach zu halten, es würde eine lange Nacht werden, bis sie endlich sicher ihr Versteck verlassen konnten. Unermüdlich hielt sie Wache, bis auch sie der Schlaf einfach überwältigte. Er kam ohne Ankündigung, wie immer, ohne dass man ihn wünschte, und ohne sich bemerkbar zu machen. Sie glitt einfach hinüber in die Welt des Schlafes.

Auf See
     
    "Hey! Guckt euch die mal an!"
    Dieser Satz wurde von lautem Gelächter begleitet und weckte Ramis unsanft auf. Zuerst wusste sie gar nicht, wo sie war. Verwirrt starrte sie die großen Männer an, die über ihr aufragten und zu denen die ungeschlachte Stimme gehörte, die soeben gesprochen hatte. Sie rieb sich die Augen. Umso größer jedoch war das Erschrecken, als ihr bewusst wurde, was alles geschehen war und dass sie hier eingeschlafen war. Ihr sonst so leichter Schlaf hatte heute versagt. Es war heller Tag und das hier musste die Mannschaft des Schiffes, auf dem sie waren, sein. Ramis hätte vor Scham im Boden versinken mögen. Zu allem Übel sahen die Kerle auch noch den Piraten ähnlich, die den Goldenen Drachen überfallen hatten. Ihre geflickte Kleidung schien aus mehreren Jahrhunderten angesammelt zu sein, so bunt war sie. Ganz sicher waren es auch raue und brutale Männer. Schwankend kam Ramis hoch, um ihnen nicht ganz hilflos gegenüber zu stehen. Sie hatte gelernt, dass es nichts nützte, sich nicht zu wehren, obwohl es ihr auch nichts gebracht hatte, wenn sie sich wehrte. So oder schien es sinnlos. Die anderen überragten sie um gut einen Kopf und waren kampferprobt. Sie lachten über Ramis und machten obszöne Bemerkungen. In der Zwischenzeit war auch Edward aufgewacht. Sie hörte, wie er erschrocken Luft holte.

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