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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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nie wieder sehen würde. Sie hatte Essen gehabt. Bitter dachte Ramis, dass es eine der friedlichsten Zeiten in ihrem Leben gewesen war. Zwar waren da noch Madame und ihr Freudenhaus gewesen, aber die Angst davor verblasste bereits in ihrer Erinnerung. Jetzt war ihr nur noch Edward geblieben – und ihn würde sie nicht verlieren, niemals.
    Edward akzeptierte ihren Vorschlag. In seinem Gesicht stand auch die Erleichterung und die Vorfreude auf eine Mütze Schlaf. Ramis beneidete ihn darum. Ihm zuliebe gab sie sich wacher, als sie war und stapfte mit schwungvollen Schritten hinaus. Kaum war sie aus der Tür, ließ sie die Schultern wieder hängen und schlurfte langsam durchs Schiff. Alles an ihr war so schwer. Mühsam schleppte sie sich an Deck. Sie spürte die Blicke der Mannschaft auf sich, wenn die Männer in ihrer Arbeit innehielten, um den komischen Schiffsjungen anzugaffen. Oben wurde sie sofort von dem weiblichen Kapitän entdeckt.
    "He Kleine! Ja du! Wir haben nur zwei Frauen hier an Bord, und ich kann wohl nicht gemeint sein! Komm mal her!"
    Ramis wünschte sich, ganz weit weg zu sein.
    "Wo ist der kleine Bengel?" , verlangte die Piratin barsch zu wissen.
    Ramis hob den Kopf. Es fiel ihr schwer, ihr Gegenüber klar zu sehen, weil sie so müde war.
    "Er ist noch ein Kind! Ich habe ihm gesagt, er soll sich ausruhen."
    "Ausruhen?" Ein unbarmherziges Schnauben. "Das kannst du, wenn du endlich tot bist! Wenn ihr nicht aufpasst, habt ihr auch bald eure ewige Ruhe. Faulenzer können wir nicht gebrauchen."
    Ramis begann zu schwitzen. Sie war in eine sehr gefährliche Situation hineingeschlittert. Mit diesen Leuten war absolut nicht zu spaßen. Wie dumm, das vergessen zu haben.
    "Ich werde für zwei arbeiten! Ihr werdet keinerlei Einbußen haben!"
    "Du?" Wieder dieser abschätzende Blick, dessen Prüfung sie nicht bestehen konnte.
    Ramis biss sich auf die Lippen und schmeckte gleich darauf Blut in ihrem Mund.
    "So wie du aussiehst, schaffst du nicht einmal deine eigene Arbeit!"
    "Das werden wir ja sehen!" Ramis fragte sich, woher sie die Energie zu diesem Aufbegehren nahm.
    "Also gut, du dummes Huhn! Du willst es ja so!"
    Diese unmissverständliche Warnung machte Ramis bewusst, dass sie sich gerade zur Schlachtbank führen ließ. Sie hatte die Dummheit begangen, diese Frau herauszufordern.
     
    Im Laufe des Tages vergingen Ramis jegliche Gedanken. Ihr Bewusstsein beschränkte sich auf ihren Körper und darauf, ihn in gleichförmiger Weise weiterarbeiten zu lassen. Sonst hätte sie es nicht ertragen, die Aussichten waren zu entmutigend. Die Piratin ließ sie spüren, auf was sie sich eingelassen hatte. Immer neue anstrengende Arbeiten wurden der jungen Frau auferlegt, sobald sie eine bewältigt hatte. Ramis spürte ihren Blick auf sich ruhen. Sie zwang sich zu jedem Handgriff, hielt sich durch den Willen aufrecht, dass sie es für Edward tat. Doch es ging um noch etwas anderes. Sie musste auch dieser Piratin beweisen, dass sie es schaffte. Je länger sie allerdings arbeitete, desto offensichtlicher wurde es, dass sie es nicht schaffen konnte. Eine grausame Stimme in ihr warnte: Warum lässt du dich eigentlich auf diesen Wahnsinn ein? Du übertreibst es maßlos. Du hast sowieso keinen Stolz, kein Selbstwertgefühl. Bitte doch um Gnade, unterwirf dich, wie du es in Maple House immer getan hast... Ramis hörte nicht auf sie. Ein verborgener Wille gab ihr noch einmal ein bisschen Kraft.
    Vor ihren Augen verschwamm alles, als sie sich wieder einmal mit ihrem Eimer und dem Lappen an Deck schob. Man ließ sie das ganze Schiff putzen, schwere Lasten schleppen, durchs ganze Schiff rennen, um etwas zu holen . Ihr Magen war so leer, dass ihr schwindlig wurde. Dabei beobachteten sie sie die ganze Zeit. Der Tag war noch längst nicht um, als Ramis einfach kraftlos zusammenbrach und auf den Planken bewusstlos liegen blieb.
    Edward wachte sofort auf, als die Tür geöffnet wurde. Der Schein einer Laterne blendete ihn nach der langen Dunkelheit. Allmählich konnte er jedoch zwei Männer erkennen, die ein Bündel trugen. Ein weiterer hielt das Licht. Wortlos kamen sie herein und legten ihre Last ab. Erst jetzt gewahrte Edward, dass es nicht einfach ein Bündel, sondern ein Mensch war. Verfilztes Haar bedeckte das Gesicht. Es war von einem hellen Blond und der Junge erkannte, dass es Ramis war. Er stürzte zu ihr und kniete sich neben sie. Seine Hand strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
    "Tante?"
    Ihre Haut war fahl und von Schweiß

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