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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Reling, bereit zum Entern. Die Männer schwangen ihre Säbel und brüllten, während sie darauf warteten, in Reichweite zu kommen. Ramis erinnerten sie an wilde Bestien, die nach Blut lechzten und an ihren Ketten rissen, um freizukommen. Sie fürchtete für die armen Seeleute von dem Handelsschiff. Doch auf die schien das Spektakel genug Eindruck gemacht zu haben. Sobald klar wurde, dass sie nicht entkommen konnten, wurde die weiße Flagge gehisst, zum Zeichen, dass sie sich ergaben. Ramis verstand es nicht ganz. Natürlich wollte jeder leben, aber sich der Willkür der Piraten auszuliefern... Vielleicht war es manchmal besser, früher zu sterben, anstatt später unter Qualen. Ihr war leicht schummrig von dem Lärm und der Aufregung, eine Platte schien in ihrem Ohr zu kleben, denn sie hörte die Geräusche nur gedämpft. Sie hatte Edwards Arm ergriffen und beobachtete Bess, die soeben ihre Anweisungen gab.
    "Na los, Männer! Besetzt das Schiff!"
    Es glich einer routinierten Aktion, wie sich die Männer geschickt auf das andere Schiff schwangen und die Franzosen gefangen nahmen, die sich nicht wehrten. Sie wurden entwaffnet und gefesselt. Das alles geschah unter dem lautstarken Spott der Piraten. Sie waren offensichtlich bester Laune. Ramis biss sich verwirrt auf die Lippe. Eigentlich hatte sie sich das ganz anders vorgestellt. Nun ja, es war besser so. Wenn man es auch auf friedlichem Weg machen konnte.
    Später sollte Ramis feststellen, dass die Piraten nach Möglichkeit Kämpfen aus dem Weg gingen. In der Schlacht gab es zu viele Tote und Verwundete und danach trachtete keiner. Die Gegner bekamen die Chance, sich zu ergeben, um einen Kampf zu vermeiden. Ramis fiel gar nicht auf, wie enttäuscht Edward aussah. Er hatte sich auf den Kampf gefreut. Ramis entdeckte Bess, die auf sie zukam. Die Piratin sah zufrieden aus. Sie erinnerte Ramis an ein Raubtier, das soeben seine Mahlzeit beendet hatte und satt war. Wenigstens das, so brauchte es kein neues Opfer zu schlagen.
    "Na, wie hat dir das gefallen, kleine Anne?" Bess grinste auf sie herunter, denn sie war ein Stück größer als Ramis.
    Deshalb war sie auch die kleine Anne. Aber gegen Bess erschien jeder klein. Ramis verzog das Gesicht. Sie wollte nicht zugeben, was sie von der Piraterie hielt, es wäre hier unangebracht gewesen. Bess erwartete wohl auch gar keine Antwort.
    Sie fuhr fort: "Und, was meinst du, sollten wir jetzt mit den Gefangenen machen?"
    Ramis entging nicht der spöttische Tonfall. Überhaupt war es schon verdächtig, dass man sie um Rat fragte. Sie hatte weder eine Ahnung von den Sitten und sonst fragte sie auch nie jemand nach ihrer Meinung. Ramis richtete sich auf, zu ihrer vollen Größe, die seit Maple House beträchtlich zugenommen hatte. Sie war an die achtzehn und längst kein Kind mehr. Sie war auch nicht mehr klein. In der Gesellschaft würde sie schon zu der Klasse der alten Jungfern zählen, zu den Frauen, die keinen Mann gefunden hatten. Das kümmerte Ramis herzlich wenig. Sie würde ja niemals heiraten. Eher würde sie zu den Sternen reisen und wieder zurück. Ramis streckte Bess ihre Handfläche entgegen, als hätte diese Geste etwas unsagbar Bedeutsames an sich. Dementsprechend irritiert starrte Bess sie an.
    "Lasst sie doch einfach gehen!"
    Ramis hielt das für eine kluge Aussage.
    Aber Bess lachte nur.
    "Sie gehen lassen? Das ich nicht lache! Was meinst du denn, was aus uns Piraten würde, wenn wir alle gehen ließen? Die barmherzigen Samariter?"
    Sie schüttelte sich vor Lachen bei dieser Vorstellung.
    Ramis entgegnete säuerlich: "Wenn Ihr über mich lacht, dann fragt mich eben nicht!"
    Sie mochte es nicht, wenn man sich über sie lustig machte.
    "Ich finde das nur immer so ergötzend!" Bess schlug ihr auf die Schulter. "Du hast so köstliche Vorstellungen. Im Moment brauchen wir jedoch keine neuen Mannschaftsmitglieder."
    Sie war hinterhältig. Ramis wusste, dass die Piraten ihre Lücken, die durch Kämpfe entstanden waren, mit den Seemännern der gekaperten Schiff e auffüllten. Oft musste man diese gar nicht zwingen. Das Leben auf einem 'normalen' Schiff war manchmal sogar noch härter und entbehrungsreicher. Und vor allem weniger gewinnbringend. Bess wollte Ramis also bloßstellen. Sie wollte Ramis Meinung hören, nur um sie dann herunterzumachen. Ramis machte sich allerdings klar, dass es um das Leben dieser Menschen ging. Indem man Ramis gefragt hatte, so falsch es auch gemeint war, hatte man sie dafür verantwortlich

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