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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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zwei verrostete Säbel bei sich, die sie ihnen allerdings gar nicht gab. Sie ließ die beiden sich erst aufwärmen und sie anschließend Ausfallschritte bis zum Umfallen machen. Als sie die Säbel in die Hand bekamen, mussten sie den Rest der Zeit die richtige Haltung üben. Selbst Edward verging die Lust daran, er wollte endlich richtig kämpfen. Bess vertrat die Meinung, nur eine solide Grundlage könne Überleben und Karriere sichern, sie hielt nichts vom Lernen durch Praxis. Das bekamen die jungen Leute zu spüren, sehr zum Vergnügen der Piraten, die sich eher durch wildes Drauflosschlagen auszeichneten. Ihre Waffen waren ihre Wildheit und ihre Unberechenbarkeit, dafür würden sie gegen einen ausgebildeten Kämpfer weniger Chancen haben. Bess war eine sehr gestrenge Lehrmeisterin und die beiden Lehrlinge waren nach ständigen Haltungsübungen so erledigt, dass ihre Übungsstunde künftig auf den Abend verlegt wurde, weil sonst ihre Arbeit darunter litt. Es wurde eine sehr harte Zeit. Neben dem Kämpfen, das allein schon zuviel für Ramis war, wurden sie auch in die Seemannskunst eingelernt. Sie mussten das Segel hissen, Knoten knüpfen, entern üben und noch tausend andere Dinge wissen und können. Ramis hätte sich nie träumen lassen, was man als Pirat alles wissen musste. Mehr als einmal wollte sie aufgeben, wenn sich der mühsam einstudierte Knoten zum dritten Mal löste und wenn sie von Bess getadelt wurde, weil sie schon wieder alles falsch gemacht hatte, obwohl sie sich nach Leibeskräften bemühte.
    Irgendwann reichte es ihr und sie schmetterte ihren Säbel zu Boden, wobei sie Bess außer sich anschrie:
    "Wenn Euch mein Kampfstil nicht gefällt, warum unterrichtet Ihr mich dann? Ich habe nicht darum gebeten, zu Tode geschunden zu werden! Es gibt eine Grenze bei dem, was man leisten kann!"
    Wütend stampfte sie davon. Die Zuschauer blickten ihr erstaunt nach, sie hätten nicht geglaubt, dass die stille Ramis zu so einem Ausbruch fähig war. Bess ließ sie gehen und suchte auch nicht nach ihr. Am nächsten Tag stand Ramis wieder pünktlich da, wie es Bess den anderen prophezeit hatte. Die Tage vergingen wie im Flug und dennoch quälend langsam. Auf jeden Fall bekam Ramis nicht viel davon mit. Sie glaubte nicht mehr, dass ihre Muskeln jemals aufhören könnten zu schmerzen. Edward ging es nicht besser, aber er hatte den Wunsch , Kämpfen zu lernen und deshalb legte er eine Verbissenheit an den Tag, die jeden verwunderte. Jede Kritik von Bess spornte ihn nur noch mehr an und die kam oft, denn Bess lobte fast nie. Im Nachhinein schien diese Zeit Ramis wie ein Alptraum und sie wusste nicht mehr, wie sie sie ertragen und überlebt hatte. Doch allmählich wurde es tatsächlich einfacher, sie gewöhnte sich an die Tortur. Das Gefühl, sich bei allem schrecklich ungeschickt anzustellen, blieb jedoch. Im Zweikampf hatte sie schon nach wenigen Minuten keinen Säbel mehr und die Pistole trieb sie zur Verzweiflung, da sie nie dorthin traf, wohin sie sollte. Ohnehin konnte man mit diesen Pistolen nur sehr nahe oder sehr große Ziele treffen und der Rückstoß nach dem Schuss warf einen fast um. Sehr oft wünschte sich die entmutigte Ramis, niemals auf dieses Schiff gelangt zu sein.
     
    Allmählich wurde es für die Piraten wieder Zeit, Beute zu machen, denn ihre Vorräte schwanden rasch dahin. Es gab schon jetzt nur noch faulig riechendes Wasser und alten Zwieback. Sie mussten alles mit Rum tränken, um nicht zu erkranken. Ein Teil des Pökelfleisches war verdorben, weil es feucht geworden war, ein wahrhaft unverzeihlicher Fehler. Es hatte zu schimmeln begonnen und konnte nun wirklich nicht mehr gegessen werden, obwohl die Piraten ja sonst so einiges herunterwürgten, wenn sie Hunger hatten. Noch war der Krieg nicht ausgebrochen, es war der Herbst des Jahres 1701, aber sie trafen nun öfters auf große Konvois, denen sie sich unmöglich nähern konnten. Eine pessimistische Stimmung herrschte an Bord. Sie hörten, dass sich immer mehr Piraten der Kaperflotte anschlossen. Bess erwog, nach New Providence zurückzufahren, um sich dort Verstärkung zu suchen. Zu mehrt hätten sie mehr Aussicht auf Beute. Während sie weiterhin recht ziellos auf dem Meer kreuzten, verstärkte Bess Ramis und Edwards Schießunterricht. Das Ziel zu treffen, war mit den unberechenbaren Feuerwaffen alles andere als leicht. Ansonsten verrichteten sie bereits einfache Matrosenarbeit und halfen in der Kombüse aus, wenn der Koch Hilfe benötigte.

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