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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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einer Schlacht fühlen, den Tod im Nacken und dennoch seine Pflicht tuend, sich vergessend. Aus ihren Armen floh die Kraft, aber es gab kein Zurück mehr. Unten überspülte eine Flutwelle das Deck und würde die Unachtsamen mit sich zerren. Der Mast schwankte wie ein Schilfrohr im Wind. Ramis kam auf der untersten Ebene an, wo das Segel sich losgerissen hatte. Nun kam erst der schwerste Teil: sie musste sich gleichzeitig festhalten und das Segel befestigen. Verzweifelt kämpfte sie um Halt. Ihre Hand tastete nach dem wild schlagenden Tuch, sie konnte jeden Moment abstürzen. Thomas war dicht neben ihr, er versuchte ebenfalls, das Segel zu fassen. Einmal hielt Ramis es kurz in der Hand, bis ihr es der Sturm mit Leichtigkeit wieder entriss. Sie stürzte fast ab. Ihr wurde nie klar, wie sie es schließlich doch schafften, wie es ihnen gelang, dem Sturm seine Beute abzutrotzen. Längst war sie am Ende ihrer Kräfte, ihre letzten Reserven, die die Todesangst entfesselte, trugen sie nach unten und unter Deck. Dort klatschte Ramis kraftlos gegen die Wand und übergab sich, bevor ihr schwarz vor Augen wurde. Sie war jedoch nicht bewusstlos, ihre Sicht nur seltsam eingeschränkt. Aus ihrer Kleidung rannen Bäche und nasse Strähnen hingen in ihr Gesicht. Allmählich kehrte der Schmerz zurück, in ihre Arme und ihre aufgeschürften Hände und erfüllte sie mit Pein. Ihr war so kalt und sie hatte nicht mehr die Kraft, sich aufzurichten. Irgendein Mensch hob sie auf und schleppte sie in ihre Kajüte, sie konnte nicht erkennen, wer es war. Der Boden schwankte weiter und ließ ihren Magen schon wieder rebellieren. Ramis klapperte am ganzen Körper, sie spürte die Kälte immer mehr. Edward lag in seiner Hängematte, als man sie hereinbrachte. Er war blass, was sie aber nicht sehen konnte, weil es so dunkel war. Auch ihm setzte der raue Seegang zu. Der Mensch, der sie begleitete, schien im Dunkeln besser sehen zu können. Er zog ihr die nassen Kleider aus und wickelte sie in trockene Decken. Ramis war zu erschöpft, um sich zu schämen, sie nahm es kaum wahr. Man legte sie in ihre Matte und ließ sie mit Edward allein.
    Nun begann die lange Nacht. Es war still, bis auf ein gelegentliches Stöhnen und das stetige Rauschen von draußen. Ramis versank in dem Zustand, der halb Schlaf, halb Wachen ist, in dem sich die Zeit endlos in Länge zieht oder dahin rast wie der Wind. Wenn die Hängematte es zugelassen hätte, hätte sie sich unruhig hin und her gewälzt. Obwohl sie noch nicht schlief, wurde die Grenze zu ihrem Unterbewusstsein dünner, ohne dass sie Kontrolle darüber gehabt hätte. In ihrer Vorstellung entstanden Bilder des Schreckens, die so real wurden, dass sie daran glaubte. Um sie herum krochen wieder die Geister und sie konnte nichts dagegen tun, denn nur Licht hätte sie vertrieben. Dann hätte sie gesehen, dass dort nichts war. Sie wickelte sich fester in ihre Decke und betete lautlos darum, den nächsten Morgen noch zu erleben. Ihr war sterbenselend, kurz darauf übergab sie sich wieder. Im Zimmer breitete sich der ekelhafte Geruch nach Erbrochenem aus. Edward fing ebenfalls zu würgen an, der Gestank gab ihm das letzte. Der Sturm schien kein Ende zu nehmen oder vielleicht waren sie auch schon in der Hölle, zu ewigen Qualen verdammt. Stunde n um Stunden lagen sie elend da. Ramis merkte, dass ihr Junge auch nicht schlief. Sie sprachen nicht miteinander, die Nacht schien sie aller Worte beraubt zu haben. Einmal gab es in der Nacht ein lautes Krachen und ein heftiger Ruck lief durch das Schiff. Ramis schloss die Augen und dachte: Jetzt ist es zu Ende.
    Doch sie sanke n nicht. Als das Schaukeln und Brausen schwächer wurde und schließlich fast verschwand, kam die Erkenntnis, dass es vorbei war, dass sie es überstanden hatten. Ramis war es, als stünde sie aus einem Grab auf, in dem sie viele Jahrhunderte gelegen hatte, während sie sich aus der Matte schälte. Ihre bloßen Füße tauchten in eine Brühe aus Wasser und Erbrochenem. Es fühlte sich widerlich an. Sie tappte im Dunkeln zur Wand und tastete nach der Luke. Als sie den Riegel fand, riss sie sie auf. Heller Sonnenschein drang herein und erfüllte das Zimmer mit blendendem Licht. Ramis sog tief die frische Luft ein, die der Sturm hinterlassen hatte. Bevor sie nach oben ging, musste sie sich erst anziehen, aber ihre Kleidung hatte auf dem Boden gelegen und war nun vollgesogen mit dem Schmutzwasser. Sie stank erbärmlich. Seufzend holte sie die spärlichen

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