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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Ramis zu verabschieden. Er wollte allein sein, musste allein sein mit seinem Kummer.
    "Lebt wohl, Mr. Seymoor ", flüsterte Ramis ihm nach.
    Ein gebrochener Mann, der sich gebeugt dahinschleppte, scheinbar um Jahrzehnte gealtert. Es gab keinen Ausdruck für seinen Schmerz und Ramis erkannte, dass er Bess wahrhaft geliebt hatte. Sie hatte Unrecht gehabt, als sie seiner Frau sagte, Bess würde nie mehr zwischen ihnen stehen. Er würde sie immer lieben und um sie trauern. Ramis wunderte sich über ihre Sicherheit darüber. Aber manchmal spürte man so etwas einfach. Langsam wandte sie sich um. Sie fühlte sich schwer und müde. Das machte die Trauer. Sie nahm Edwards Hand und machte gerade ein paar Schritte, als jemand sie anrief.
    "Halt, wartet!"
    Hinter ihnen kam der Pförtner angerannt. Er drückte Ramis ein Stoffbündel in die Hand.
    "Von Mr. Seymoor. Ich soll euch ausrichten, dass es ein Geschenk ist. Für die Frau. Ich habe keine Ahnung, was mit dem Herrn los ist. Er sieht schrecklich aus."
    Ramis hatte nicht die Kraft, noch einmal alles zu erzählen. Es war zu schmerzlich.
    "Und noch etwas: Mr. Seymoor sagte, dass du ihr Werk weiterführen sollst, was auch immer das heißen mag." Er tippte sich kurz an einen nicht vorhandenen Hut und verabschiedete sich.
    Ramis zog den Stoff auseinander.
    "Oh!" entfuhr es ihr.
    Sie hielt einen großen schwarzen Hut in den Händen wie ihn die Kapitäne trugen. An der Front hatte er kleine Goldknöpfe. Er sah beeindruckend aus. Der Stoff war leicht abgetragen und benutzt, daraus schloss Ramis, dass er ein Erinnerungsstück von John Seymoor war. Aus seiner Zeit als Pirat. Eigentlich hätte sie es nicht annehmen dürfen, aber hinter diesem Geschenk steckte sehr viel und es abzulehnen wäre grausam gewesen. Es war ein letzter Gruß an Bess und das Piratenleben. Auch ein Abschied. Es war nicht nötig, ihm zu danken, alles war gesagt.
    "Setz ihn auf!" , drängte Edward.
    Doch bevor sie die Finger rühren konnte, riss er ihn aus ihrer Hand und setzte ihn ihr aufs Haupt, wie bei einer Krönung. Das neue Gewicht brachte in ihr einen widersinnigen Stolz zutage, als wäre ihr Rang erst jetzt rechtmäßig.
    "Du siehst wunderschön aus!" , lachte Edward. "Wie eine Königin."
    Ramis legte ihre Hand auf seine Schulter, während sie zum Schiff zurückgingen. Sie hatte nun wieder ein Ziel, eine Aufgabe, der sie gerecht werden musste.

Ich, Kapitän
     
    September, 1702
    Ich habe beschlossen, von nun an ein Tagebuch zu führen. Vielleicht wird es mir helfen, mir über einiges klarzuwerden. Falls ich es wieder einmal vergessen sollte, ich bin Ramis. Einfach Ramis, keinen Nachnamen. Ich komme aus dem Nichts, aus der Dunkelheit. Dort wo die Erinnerung sein sollte, ist ein schwarzes Loch. Den Rest meines Lebens würde ich auch gerne vergessen. Jetzt bin ich Kapitän eines Piratenschiffs und habe einen fast zehn Jahre alten Ziehsohn. Es beruhigt mich irgendwie, das aufzuschreiben, so als könnte ich mich wirklich irgendwann vergessen. Nun habe ich eine Sicherheit. Da ich selbst kein Papier habe, benutze ich Bess altes Logbuch. Ihr wäre es sicher recht gewesen.
    Kapitän zu sein, ist sehr hart. Ich muss noch so viel lernen, an manchen Tagen komme ich mir richtig dumm vor. Ich dachte, als ich Mr. Seymoors Hut aufsetzte, wäre das meine wahre Ernennung zum Kapitän, doch ich habe mich nur selbst dazu ernannt. Es war eine innerliche Akzeptanz, zum ersten Mal war ich bereit, eine so große Verantwortung zu übernehmen. Die Mannschaft dagegen sieht es immer noch nicht als rechtmäßig an. Das bemerke ich an tausend kleinen Dingen, die einen sehr verletzen können. Was mich jedoch erstaunt und mir wahrhaft unglaublich erscheint, ist, dass Thomas mir plötzlich zur Seite steht. Er hat begonnen, mich in allen Dingen zu beraten und ist im Grunde genommen der richtige Kapitän. Ich muss mir eingestehen, dass ich es ohne ihn nicht schaffen würde. Dennoch bringt er mir kein bisschen mehr Zuneigung entgegen. Weiß der Himmel, was ihn dazu bewogen hat, mir zu helfen. Es wäre nach Piratenart vollkommen rechtmäßig gewesen, mich herauszufordern. Er hat es nicht getan. Dafür macht er mich auch auf den geringsten Fehler, den ich begehe, aufmerksam. Ich hatte mir eigentlich nicht vorgestellt, als Piratenkapitän immer noch wie ein Kind behandelt zu werden. Es gibt Tage, an denen verfluche ich all die Leute, die mich in diese Rolle gedrängt haben, die so wenig zu mir passt. Und auch mich selbst, weil ich mich ständig

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