Dunkle Häfen - Band 1
Männlichkeit. Er stöhnte auf und krümmte sich. Ich war frei. Blindlings stürmte ich los und knallte prompt gegen die Tür. Mit meinem Kopf drückte ich die Klinke herunter, stolperte durch den Türrahmen. Hinter mir richtete sich Fayford wieder auf und brüllte:
"Wachen! Fasst sie!"
Die Soldaten mussten ganz in der Nähe gewartet haben, sie kamen rasch angerannt und nahmen die Verfolgung auf. Ich rannte so schnell ich konnte, aber die gefesselten Hände behinderten mich. Ich entdeckte ein offenes Fenster, hatte jedoch keine Gelegenheit, ungesehen herauszukommen. Erst als ich um eine Ecke stürzte und ein weiteres entdeckte, zögerte ich nicht lange. Etwas entfernt stand ein Baum, dessen Zweige fast bis zum Fenster reichten. Mit etwas Glück schaffte ich es, darauf zu gelangen... Mühsam hievte ich mich über den Fenstersims. Unter mir ging es recht tief herunter und am Boden wucherte dichtes Dornengestrüpp. Ich wappnete mich des Schmerzes und sprang ab. Für all das hatte ich nur wenige Sekunden Zeit. Wuchtig krachte ich auf den Ast, ein scharfer Schmerz durchzuckte mich. Einen Moment behielt ich das Gleichgewicht, ehe ich abstürzte. Der Flug dauerte nur kurz. Tausend Nadeln in Form von Dornen drangen in meine Haut und rissen sie auf. Mein Kopf schlug auf dem Boden auf und die Welt versank in Schwärze.
Fanny
Es wurde bereits dunkel und die Mannschaft der Fate wartete immer noch auf ihren Kapitän. Einige gingen wieder los, um Ramis zu suchen. Jeder ahnte inzwischen, dass ihr etwas zugestoßen sein musste. Ihr Trupp hatte sie auf einem Markt verloren, seitdem fehlte jede Spur von ihr. Fanny machte sich große Sorgen, gerne wäre sie auch auf die Suche gegangen, aber sie blieb bei William. Er hatte Hunger bekommen und wimmerte, sicher spürte er die Aufregung. Fanny wagte nicht, sich vorzustellen, dass Ramis etwas Schlimmes zugestoßen war. Diese ernsthafte Frau, die von Alpträumen und merkwürdigen Anwandlungen geplagt wurde, war für sie ebenso unersetzlich geworden wie für den Säugling. Sie hatte Fanny aus der namenlosen Dunkelheit geholt und dafür schuldete diese ihr alles. Damit nicht genug, sie hatte Fanny spüren lassen, was Freundschaft war. Ramis schien immer die Kraft zu finden, sich um ihre Schutzbefohlenen zu kümmern, mochte sie sich auch noch so elend fühlen. Fanny wusste nicht, woher sie sie nahm. Zwar besaß Ramis eine Seite, die Fanny sehr erschreckte, doch sie hätte sich nie von ihr abwenden können. Sie wäre für Ramis tausend Tode gestorben, wenn es sein musste. Aber schlimmer als das war, nichts für sie tun zu können. Sie konnte nur ausharren. Sollte Ramis tot sein, müsste auch Fanny sterben, auf dem Schiff wäre kein Platz mehr für sie. Keiner würde sie vor den Männern und vor Edward schützen. Auch wenn es fast lächerlich klang, sie fürchtete sich vor dem Jungen und der Gewalttätigkeit, die in ihm war. Er schien die gesamte Welt zu hassen. Was würde erst werden, wenn er erwachsen war? Sie hätte es niemals ausgesprochen, doch im Inneren war sie überzeugt, Ramis hätte den Jungen sterben lassen sollen. Er war wie ein wildes Tier, das man nicht zähmen konnte. Eines Tages würde er sich gegen die Menschen wenden. Ramis wollte es nicht sehen, die Liebe machte sie blind. Unerschütterlich glaubte sie an das Gute in ihm. Sah sie denn nicht seine körperliche Kraft, die er, wenn er ein Mann war, gegen andere verwenden würde? Sah sie nicht seinen Hass, seine Wut? Kaum einer schien mehr zum Piraten geboren zu sein, zum Töten und Rauben. Edward schleifte dauernd irgendwelche Waffen mit sich herum, als müsse er jeden Augenblick jemanden töten. Aber vielleicht täuschte sie sich ja auch, weil er sie nicht mochte. Vielleicht stimmte es, was Ramis in ihm sah. Er konnte auch sehr freundlich sein. Doch sie wusste instinktiv, ihr Gefühl trog sie nicht. Eine zerstörte Kindheit war nicht mehr behebbar. Sie wiegte den schrill und misstönend vor sich hin weinenden William in den Armen.
Logbuch - Fortsetzung
Noch während ich die Augen geschlossen hatte, drang das Brennen von vielen Wunden zu mir durch. Ich wusste nicht, wo oben oder unten war. Hätte mich jetzt jemand gefragt, wer ich sei, ich hätte nicht einmal die Frage verstanden. Mein Kopf pochte wie verrückt. Erst nach und nach stellte sich die Erinnerung ein. Bange sah ich mich um, in der Erwartung, in einer Zelle zu liegen oder, noch schlimmer, ihn zu sehen. Doch ich lag noch zwischen den Rosen, ich kann mir nur
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