Dunkle Häfen - Band 1
beobachtete die Leute im Raum. Edward, unverkennbar ärgerlich wegen der Frau, William neugierig und Fanny still wie immer. Und natürlich Talamara, undurchschaubar.
Ich traue ihr nicht , dachte Ramis. Sie wirkt, als lauere sie auf irgendetwas.
So war sie froh, als sich die Gesellschaft nach einiger Zeit auflöste und jeder seiner Wege ging. Talamara ging mit Fanny, da sie in deren Zimmer schlafen sollte. Ramis schauderte bei der Vorstellung, mit der Fremden in einem Raum zu schlafen, allein mit ihr im Dunkeln. Doch Fanny schien es nichts auszumachen. Indessen schickte Ramis William ins Bett. Er erhob sich nur höchst ungern aus seinem Sessel, in den er sich müde gekuschelt hatte. Bevor er den Raum verließ, wollte er wissen, als hätte er etwas gespürt:
"Mutter, du hast nie über meinen Vater geredet, aber jeder hat einen Vater. Wer ist meiner?"
Edward horchte auf. Er lümmelte auf einem Stuhl, die langen Beine ausgestreckt. Doch er konnte sich denken, was Ramis antworten würde. Sie hatte ihm die Antwort ebenfalls hartnäckig verwehrt. Er wusste noch immer nicht, welchem Schuft er sein Leben verdankte. Ramis kannte ihn, da war er sich ganz sicher.
"Das ist nicht von Bedeutung ", wimmelte sie auch jetzt ab. "Es würde dir nichts nützen, es zu wissen."
"Aber warum darf ich es nicht wissen?" , bohrte der Junge scharfsinnig weiter.
"Komm, Will, Mutter wird dir eh nichts sagen." Edward stand auf und legte William eine Hand auf die Schulter. "Geh schlafen!"
Mürrisch trollte der sich, um noch auf die 'Toilette' zu gehen. Ramis und Edward blieben alleine zurück.
"Und, wie geht es dir jetzt so?" , erkundigte Ramis sich mütterlich besorgt. "Wir haben schon so lange nicht mehr alleine miteinander geredet."
"Alles ist bestens."
So schien es Ramis allerdings nicht und das äußerte sie auch.
"Ich kenne dich zu gut, mein Kind. Ich sehe, dass dich etwas bedrückt."
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, zog sie jedoch wieder zurück, als er sich unruhig wand. Etwas stimmte nicht, ganz und gar nicht. Aber er wollte es nicht sagen.
"Wenn etwas wäre, Tante, dann würde ich es dir sagen."
"Ja, natürlich, ich weiß." Ramis hätte ihm gerne geglaubt, zu gerne hätte sie geglaubt, alles sei wie früher. "Du weißt auch, dass ich immer für dich da bin?"
Er nickte und nahm vorsichtig ihre Hand in seine. Die ihre wirkte auf einmal so klein und Ramis dachte die Zeiten, als Edward sich daran klammerte.
"Du bist erwachsen geworden ", meinte sie traurig.
"Das braucht dich nicht zu bedrücken, Tante. Jeder wird erwachsen, das ist normal."
"Nicht für mich, Edward. Ich will dich nicht verlieren. Willst du heute Nacht nicht hier bei uns bleiben? Es würde William freuen." Und mich beruhigen, fügte sie in Gedanken hinzu.
Edward schien einen Moment zu schwanken und sah sie seltsam an.
"Nein, keine Vorrechte mehr. Die anderen Männer schlafen auch nicht in deiner Kajüte."
"Ist es dir peinlich geworden, bei deiner Mutter zu sein? Ist es das, was das Mann sein mit sich bringt?" Ihre Stimme klang verletzter, als sie es bezweckt hatte.
Nein, er sollte nicht wissen, was es ihr ausmachte.
"Nie könntest du mir peinlich sein, Ramis. Doch auch ich muss irgendwann selbstständig werden. Eine gute Nacht!"
Es war offensichtlich, dass er jetzt lieber ging und Ramis entließ ihn.
"Ach, Edward!" rief ihm aber noch hinterher.
"Ja?"
"Mach dir wegen Talamara keine Sorgen! Niemand könnte sich zwischen uns drängen. Wir beide, wir werden immer etwas ganz Besonderes sein."
Und sie war mir immer eine so gute Mutter , dachte Edward bei sich, als er über das dunkle Deck ging. Ihr Vertrauen ehrt mich mehr, als ich es verdient habe.
Ramis schlief unruhig diese Nacht. Sie träumte, Talamara wolle ihr William wegnehmen.
"Er ist nicht mehr dein Sohn!" , schrie die andere. "Ich habe mit meinem Blut für ihn bezahlt!"
Als Ramis aufwachte, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass William noch neben ihr lag. Merkwürdigerweise war sie seitdem wütend auf Talamara, als wäre der Traum Wirklichkeit gewesen. Das war sicher einer der Gründe, dass zwischen ihnen keine Freundschaft entstehen konnte, obwohl beide immer höflich blieben. Ausgerechnet mit Fanny schien sich die Schwarzhaarige allmählich anzufreunden. Sie verbrachten zunehmend Zeit miteinander. Ansonsten arbeitete Talamara, wie sie es versprochen hatte. Edward, den Ramis inzwischen zu ihrem Stellvertreter ernannt hatte, nahm sie absichtlich hart ran. Talamara
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