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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Von oben kamen plötzlich Schritte. Hastige, laute Schritte. Ramis wollte herumwirbeln und blindlings fliehen. Dann kam ihr der Gedanke, dass es Edward sein konnte und sie wartete. Er war es tatsächlich. Mit unendlicher Erleichterung empfing sie ihn und schloss ihn kurz in die Arme. Ohne Worte zu wechseln packte sie ihn am Arm und rannte los. Sie hatte auf einmal das Gefühl, dass hinter ihnen jemand kam, sich schnell näherte. Ein weiteres Mal verließen sie in größter Hast das alte Haus. Dieses Mal jedoch hielt Ramis nicht am Gärtnerhaus an. Sie quetschte sich mit dem Jungen durch den Spalt in der Mauer nach draußen. In der Straße sah es ganz normal aus, wie eine Stadt eben. Ramis entspannte sich ein wenig. Ihre Angst schlug in Zorn um.
    "Warum hast du das getan? Ich hatte es dir verboten!" , schrie sie Edward an.
    Dieser schwieg verdutzt. Ramis hatte ihn eigentlich nie richtig geschimpft.
    "Aber was hätte denn passieren sollen?" , verteidigte er sich halbherzig. Auch er war blass um die Nase.
    "Das weiß ich ja gerade nicht! Aber dieses Haus ist verflucht!" Und ich habe jetzt die Bestätigung, dass ich auch verflucht bin, was mir allerdings ohnehin schon klar war .
    "Ach, das ist doch nur Aberglaube!" Edward hatte großspurig klingen wollen. Stattdessen hörte man seine Verunsicherung.
    "Was hast du da drinnen gesehen?" , fragte Ramis den Jungen.
    "Nichts. Das ist es ja gerade. Ich hatte etwas erwartet, denn da war irgendwas!"
    "Wo warst du denn?" Ihr war beklommen zumute.
    "Es war nur eine Türe offen." Edward spähte nervös zur Mauer, hinter der das gespenstische Anwesen stand. "Ich bin in das Zimmer gegangen. Es war dunkel, nur ein bisschen Mondlicht war da. Es war...es war wie in einem Fiebertraum, den ich mal hatte. Überall um mich herum waren Schwäne."
    "Oh!" , machte Ramis dazwischen. "Da drin war ich auch. Aber hast du...die Leiche gesehen?"
    "Nein, da war keine Leiche. Ich habe ganz genau geschaut."
    "Aber da muss eine gewesen sein! Im Bett!"
    "Das Bett war da, aber sonst niemand. Weißt du, ich wollte ja nach Schmuck suchen. Sicher wäre da was gewesen. Aber ich bekam plötzlich Angst. Ich wollte nur noch weg."
    Er suchte nach ihrer Hand und hielt sie fest.
    "Früher bin ich nie ins Haus gegangen, weil alle gesagt haben, darin spuke es. Sie meinten, das Haus samt seinen Bewohnern sei verflucht. Niemand wusste etwas über die Frau. Lange sei es einfach leer gestanden. Irgendwann schien eine Frau mit ihrer Dienerin eingezogen zu sein. Sie kam nie hinter der Mauer hervor, die das Haus umgab. Und keiner wusste, wann und wie sie starb."
    Ramis graute es. Die Leiche war verschwunden. Hatte die Dienerin sie fortgeschafft? Oder war sie ein Geist gewesen? Jemand hat die Türen nach mir verschlossen, denn als Edward kam, waren sie zu. Es war also noch etwas - oder jemand - im Haus gewesen.
    "Lass uns lieber hier weggehen. Selbst die Mauer ist mir jetzt unheimlich", meinte sie zu Edward.
    Schweigend setzten sie sich in Bewegung. Der Schreck saß ihnen noch in den Gliedern. Ramis zermürbte sich mit Gedanken über die Tote und das seltsame Haus. Es gab so viel, was sie nicht verstanden hatte. Sie war sich auch nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte. Es war eines von diesen Geheimnissen, in das Licht zu bringen nur neues Unheil und neue Schmerzen verursachte. Am besten vergaß sie alles einfach wieder. In diesem Augenblick kam ihr ein aufwühlender Gedanke. Ihr wurde klar, was die ganze Zeit in ihr gelauert hatte:
    Das Haus hatte auf sie gewartet. Die alte Frau hatte auf sie gewartet.
    Ramis hätte den Ring am liebsten gleich ins nächste Gebüsch geworfen, egal wie wertvoll er war. Aber sie wagte es nicht... Zu tief saßen die Warnungen der Dame, zu tief ihre Angst vor dem Unerklärlichen.
     
    Sie kehrten zum Goldenen Drachen zurück. Ramis hoffte, dass die Polizei sich nicht weiter für die Ereignisse in einem Bordell am Hafen interessieren würde, so wie sie es auch sonst nicht tat. So viele Leute starben dort und selten machte sich jemand noch groß die Mühe, herauszufinden, ob deren Tod die Folge von Krankheit, Selbstmord oder Mord war. Unter Umständen würde die Polizei gar nicht erst erfahren, was geschehen war. Die meisten Damen und Kunden wünschten keine Befragungen, die ihr Privatleben und ihre Umtriebe beleuchten würden. Tatsächlich hatte keiner die Polizei verständigt.
    Im Haus war es jedoch totenstill, als Ramis und Edward eintraten. Heute wurden keine Kunden empfangen, das

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