Dunkle Häfen - Band 2
noch viel mehr. Sie waren eine Einheit, die sich schmerzhaft nach Erfüllung sehnte. Viel später, nachdem der Körper diese in heftigen Zuckungen gefunden hatte, wurde alles ruhig, nur in ihr rauschte es noch. Ihre Sinne waren betäubt, ganz überwältigt. Mit einer Verwünschung richtete er sich auf einmal auf. Hart packte er ihre Schultern, um sie erneut zu schütteln. Er stieß Verwünschungen aus.
"Verfluchtes Weib! Ihr werdet sterben, da könnt Ihr Euch sicher sein! In ein paar Tagen baumelt Ihr in London am Galgen, gerade weil das hier passiert ist!"
Bevor er endgültig ging, setzte er sich noch die Perücke auf.
Sobald Fayford weg war, sackte Ramis Wut in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ihre Verwirrung kannte keine Grenzen mehr. Wie hatte sie so die Kontrolle verlieren können? Aber vielleicht war es unvermeidbar gewesen, ebenso wenig aufzuhalten wie die Strömung, die das kleine Schiff gegen die Felsen schmettert. Ramis war nicht reiner geworden durch ihre Tat, sondern ungleich verdorbener. Zwar konnte sie sich sagen, dass er sich ohnehin auf diese Art und Weise gerächt hätte, doch es war keine Entschuldigung dafür, dass sie ihrem Drang letztendlich nachgegeben hatte. Sie konnte auch nicht ihrem Körper die Schuld geben, das wäre unsinnig gewesen. Er hatte lediglich ausgeführt, was ihr krankes Hirn sich seit langem ausgedacht hatte. Jetzt hatte sie die Bescherung. Und ganz nebenbei musste Ramis sich gezwungenermaßen auch mit anderen Dingen beschäftigen, wie zum Beispiel die Frage nach ihrem Schicksal. Sie wusste ja inzwischen, wohin er sie brachte. Nach London... Aber das ergab keinen Sinn! Er entführte sie aus einer Todeszelle, nur um sie in eine andere zu schaffen? Und riskierte damit Kopf und Kragen, weil er gegen den Auftrag seines Königs handelte? Mit dieser Aktion war Fayford sicher sein Amt losgeworden. Es passte nicht zusammen. Sein Leben stand im Zeichen der Macht und der Intrige. Solche Menschen taten nichts, was sie um dieses Lebenselixier bringen konnte. Allerdings war Fayford neben diesen Eigenschaften auch noch besessen von seiner Rache. Deshalb konnte man ihn nicht einschätzen, es machte ihn unberechenbar.
Ramis drehte sich auf den Bauch und stützte den Kopf auf ihre Hände. Was für eine Misere. Sie konnte nicht leugnen, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, ihn zu spüren, wenigstens einmal noch in ihrem Leben. Und es war... unbeschreiblich gewesen, auch wenn sie nun von Scham geplagt wurde. Sie tastete nach ihrem Amulett und küsste es. Lautlos bewegten sich ihre Lippen in einem stummen Gebet. Vielleicht würde man Ramis jetzt hören, nachdem sie so kurz vor ihrem Tod stand und ihr endlich ihre Sünden vergeben. Als sie in dieser Nacht einschlief, träumte sie von den dicken Putten aus Gold, wie man sie zuhauf in den barocken Gebäuden fand - so auch in Versailles. Sie packten sie und trugen sie fort, wobei sie über ihr ganzes pausbäckiges Engelsgesicht lachten. Ramis wand sich, aber ihre Jungenkörper waren überaus kräftig. Doch ohne Vorwarnung ließen sie sie plötzlich fallen. Und sie fiel...
Beim Aufwachen glaubte Ramis die Comtesse lachen zu hören, musste sich jedoch getäuscht haben. Es war niemand hier, nur sie. Außer dem Riesen und Fayford hatte sie seit Tagen keinen anderen Menschen zu Gesicht bekommen. Auch für den Rest der Reise bekam sie nichts anderes mehr zu sehen, als die Hand, die ihr Essen und Trinken durch die Tür hereinreichte. Allem Anschein nach stand sie nun unter noch strengerer Quarantäne.
Irgendwann jedoch liefen sie wieder in einen Hafen ein, Ramis merkte, wie das Schiff erbebte und der Anker ausgeworfen wurde. Durch die kleine Luke vernahm sie die Hafengeräusche, das Plätschern der Wellen, das Geschrei der Leute und natürlich das stets aufgeregt erscheinende Gekreisch der Möwen. Sie schnüffelte und roch das Hafenwasser, das eine Mischung aus Abwasser, Salzwasser und Algenwasser war. Kurz darauf flog die Tür auf. Der Riese kam herein und fesselte sie wieder an den Armen. Die Decke schien nicht mehr nötig zu sein und da war Ramis endgültig klar, dass sie in England waren. Sie dachte schon an Flucht, denn die Gelegenheit war günstig, er war allein. Aber man hätte sie spätestens an Deck wieder eingefangen, zudem war der Kerl genauso kräftig wie groß. Außerdem war es inzwischen ohnehin zu spät, weil er ihr eine Leine um den Hals gelegt hatte. Er schob sie zur Tür hinaus, während er sie ununterbrochen in den Rücken
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