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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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verloren.
    Versagerin! schalt eine innere Stimme . Du hast jede Chance gehabt! Und was ist jetzt?
    Fayford war eben dazwischengekommen. Wenn sie sich nie begegnet wären, wäre das alles nicht passiert, schlicht und einfach. Und wenn sie ihre unglückseligen Regungen unter Kontrolle gehabt hätte, wäre es auch nie passiert. Ramis war einfach unfähig, war es immer gewesen. Da war vermutlich wenig Schicksal im Spiel, wenn sie so dumm war. Zweifel am Sinn ihres Lebens und Denkens kamen ihr.
    Werde glücklich! Das hatte Martha ihr zum Abschied gesagt.
    War sie glücklich geworden? Manchmal war sie es gewesen, ganze Zeitspannen sogar, wie auf See mit Edward, William und Fanny oder auch nach Charlottes Geburt. Nun stand Ramis vor einem Scherbenhaufen, der ein Leben sein sollte. Ihr Schicksalsglaube war nützlich, um zu überdecken, dass sie ihr Unglück selbst verschuldet hatte, indem sie es versäumt hatte, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Stattdessen hatte sie entweder gar nichts getan und die Augen verschlossen oder hatte in einem Inferno alles zerrissen.
    Ramis beugte sich aus dem Fenster, um die Straßen sehen zu können. Sie kamen von Süden und fuhren gerade durch das Westend. Ja, hier lag Maple House. Sie kam am St. James Park vorbei und an den Palästen. Irgendwo hielten sie an einem riesigen Haus, das wohl die Stadtresidenz der Fayfords war. Der Lord verschwand kurz im Haus, um sich umzuziehen oder sonst etwas zu erledigen. Dann kam er wieder heraus und sie fuhren weiter. Es dauerte eine Weile und sie verließen die guten Viertel wieder. Sobald sie anhielten, stieg der Riese aus. Sie hatten offensichtlich ihr Ziel erreicht. Ramis wurde aus der Kutsche gezerrt. Sprachlos starrte sie zu den hohen Mauern hinauf, zu dem großen Torbogen, der den Eingang markierte. Sie hatte sofort erkannt, wo man war. Newgate. Das berüchtigte Gefängnis, in dem ein Leben nicht mehr wert war als das verfaulte Stroh auf dem Zellenboden. Lord Fayford lächelte lakonisch.
    "Das wäre es dann, Mylady. Unser Abschied naht. Ich hoffe, Euer neues Zuhause gefällt Euch besser als das, was ich der Herzogin de Sourges hier schenken wollte." Damit lenkte er sein Pferd herum.
    "Es gefällt mir jedenfalls besser, als mich von Euch besteigen zu lassen!" , rief sie ihm leise nach.
    Er ging nicht darauf ein und galoppierte davon. Sie schluckte. Der Riese zog sie durch das Tor, vor dem sie früher öfters bange gestanden und sich vorgestellt hatte, wie es sein würde, hier zu sein. Jetzt konnte sie es hautnah erleben. Ein Knecht oder Wärter nahm sie in Empfang. Er hatte nur noch Zahnstümpfe im Mund und stank schrecklich.
    "Na, kleine Dame, was hat dich denn her verschlagen? Siehst viel zu fein aus für unser Haus."
    Ramis unterdrückte den Drang, sich zu übergeben oder zu weinen. Seit sie London kannte, hatte sie sich vor diesem Gefängnis gefürchtet. Ohne viel Federlesens schaffte man sie hinein. Das war das Ende jeglicher Freiheit. Drinnen war es laut und ein bestialischer Gestank stieg ihr in die Nase. Grob wurde die durch die Gänge geschoben, zwischen Zellentüren durch. Sie musste sich in einem Albtraum bewegen. Geschrei, Gestöhne bahnte sich einen Weg an ihr Ohr. Das war bereits die Hölle, das ewige Fegefeuer, hierher kamen die Todgeweihten. Sie musste hier weg, um jeden Preis. Das konnte sie nicht aushalten. Nicht den Gestank und die Nässe und vor allem die Leidensgeräusche der anderen. Die Laute des Wahnsinns. Erbittert begann Ramis sich zu wehren. Sie musste hier raus, raus an die frische Luft! Brutal stieß man sie in eine Zelle. Sie rutschte auf den glitschigen Treppenstufen aus und krachte hart auf Steinboden. Kurz war Ramis schwarz vor Augen. Dann spürte sie die Nässe. Der Boden war triefnass. Hastig rappelte sie sich auf. Die Tür wurde abgeschlossen. Sie versuchte, nicht wahrzuhaben, dass sie hier bleiben musste. Unglücklich begann sie in dem schlechten Licht damit, ihr durchweichtes Kleid zu untersuchen. Ein Murmeln schreckte sie auf. Zu Tode erschrocken gewahrte sie die verwahrlosten Gestalten, die in einem Halbkreis um sie herumsaßen oder lagen. Keinen Moment hatte Ramis daran gedacht, dass sie nicht allein sein könnte. Einige Paare wilde Augen starrten sie aus dem Dunkel heraus an, andere wirkten eher trüb, gleichgültig. Der Ausdruck in den Gesichtern machte Ramis Angst. So viel Feindseligkeit, die sich über ihr entladen konnte. Und das hier war das allerschlimmste Gesindel. Mörder, Diebe, Betrüger,

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