Dunkle Häfen - Band 2
erfahren konnte, war, dass sie sehr schön war und deinen Vater über alles liebte, mehr, als gut war. Sie wurde entsetzlich eifersüchtig auf die junge Ehefrau, die sie zwischen sich und ihrem Bruder wähnte. Sie muss sie sehr gehasst haben, so dass sie alles darüber aufgab. Sie war es, die euch verriet. Sie ließ alles König William zukommen, über das Testament und die geplante Verschwörung. In die geriet nun auch noch der vertriebene James Stuart, denn der hatte vor, an Irlands Küsten zu landen und rief dazu seine Verbündeten um Hilfe an. Dein Onkel besann sich auf seinen Schwur und zog mit seinen Leuten in den Krieg. Sein Bruder sollte ihm folgen, doch der betrachtete es als seine erste Pflicht, seine Familie zu schützen und schweren Herzens begleitete er sie aus Irland heraus. Sie wollten zum Halbbruder deiner Mutter fliehen, dann beabsichtigte dein Vater zurückzukehren. König William hatte also alle Hände voll zu tun, aber es brauchte nicht viel Vorstellungskraft, um sich auszumalen, was passieren würde, wenn die aufständischen Iren tatkräftige Unterstützung aus Frankreich erhalten würden. König Louis würde sich denken, dass es doch wieder eine gute Gelegenheit für einen Krieg sein könnte. So legte William die Sache in die Hand eines Getreuen, auf dessen Skrupellosigkeit er sich voll und ganz verließ: Edward.
Währen ddessen wandte König William selbst sich James Stuart zu und besiegte ihn bekanntermaßen in der Schlacht von Boyne. Edward handelte noch schneller. Er hatte ja schon vor dem Ausbruch der Unruhen über William erfahren, dass deine Familie fliehen wollte und deine Tante hatte ihm auch verraten, wohin. Die Gefahr musste eliminiert werden, ein für allemal. Edward ließ ihnen auflauern und sie alle niedermetzeln. Die ganze Familie sollte ausgelöscht werden. Mein Vater wusste davon und er schrieb nach dem brutalen Tod deiner Mutter sein Bedauern in sein Buch, doch er hätte nie daran gedacht, sie zu retten. Das war sein letzter Eintrag, danach gab er die Notizen auf.
Damit hätte es endgültig vorbei sein müssen, aber du hast überlebt. Einmal hat sich Edward nicht auf sein Gespür verlassen und d u hast, ohne es zu wissen, die Deinen gerächt. Er wusste übrigens die ganze Zeit über, wer du warst. Aber er hielt es für unnötig, dich zu töten. Meinen Vater hat es nie belangt, er ist nun tot. Du bist ihm sogar einmal begegnet, erinnerst du dich? Du hast in Maple House den Boden der Eingangshalle geputzt und er hat dich angesprochen, weil du ihn an deine Mutter erinnert hast. Was aus deiner Tante geworden ist, weiß ich nicht. Einmal schrieb Edward noch über sie, nachdem er sie getroffen hatte. Er erwähnte die große Ähnlichkeit mit ihrem Bruder, sowohl äußerlich als auch im Wesen. 'Die gleiche leidenschaftliche Brut', schrieb er. Sie hatte wohl grüne Augen und pechschwarze Haare. Es schien, als wollte sie danach in England leben.
Dein irischer Onkel wurde bei Boyne getötet, seine Familie hinterher ausradiert. Man war sehr gründlich.
Wie es weitergeht, weißt du selbst am besten. Ich kann dir nur eines sagen: Es gibt immer noch Leute, die von den Geschehnissen wissen, sowohl in England als auch in Frankreich. Das Dokument ist verschwunden, deine Eltern trugen es offensichtlich nicht bei sich. Also muss es jemand ander es besitzen.
Deine Freundin aus Paris, Mademoiselle de Mincourt, die übrigens die Tochter eines arbeitslosen Schlossers ist, war als Spitzel auf dich angesetzt. Aber ich sollte wohl sagen, sie war die Tochter eines Schlossers, denn sie ist tot. Am Tag deiner geplanten Hinrichtung trieb sie in der Seine. Woher ich das weiß? Alle, die ihre Macht erhalten oder vergrößern wollen, brauchen eigene Spitzel. Einer meiner geschicktesten Leute in Paris sprach vorher mit ihr und bekam heraus, dass sie die Fehde zwischen dir und dem Regenten schüren und deine Freundschaft gewinnen sollte. Sie schien Angst vor jemandem zu haben, den sie allerdings nicht nannte und sagte etwas von einer Verschwörung. Aber wen sie nun fürchtete und wer hinter ihr stand, das werden wir von ihr nie mehr erfahren. Entweder hat ihr Auftraggeber befunden, dass sie zu viel wusste oder ihre Feinde wollten sie aus dem Weg haben. Sie war nämlich auf dem Weg, dich zu befreien, aber ich bin ihr wohl zuvorgekommen.
Überlege dir also gut, ob du jemanden kennst, der von deiner Geschichte weiß.
Nichts weiter. Tränen rannen Ramis übers Gesicht, doch plötzlich musste sie lachen.
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