Dunkle Häfen - Band 2
durchringen. Sie zauderte, denn in jedem Fall lief es auf etwas hinaus, das sie nicht wollte. Letztendlich zwang sie der Herzog von Orléans, sich zu entscheiden.
Tagebuch
Mai 1715, Versailles
Ich habe mich in das Unvermeidliche fügen müssen. Alles scheint schief zulaufen.
Ich werde heiraten...
Heute Morgen kam der Herzog zu mir und sagte mir, wenn ich den betreffenden Mann nicht heiraten würde, müsse ich sterben. Er habe inzwischen ein wenig nachgeforscht und festgestellt, dass ich zudem noch eine Lügnerin war. Meine Geschichte sei löchrig wie ein Käse.
"Was auch immer Ihr seid, Madame, es wird Euch schlecht bekommen. Ich verrate nichts, wenn Ihr mir folgt."
Mir brach der kalte Schweiß aus. Jemand weiß, dass ich gelogen hatte! Wenn nun die Wahrheit herauskommt... Mir war sofort klar, dass er wusste, wer mein Mann sein sollte und dass ich ihn ausspionieren sollte. Aber das änderte nichts an meinem Dilemma. Tja, das nahm mir dann die Entscheidung ab. Ich werde einen völlig Fremden heiraten, den ich noch nie gesehen habe.
Heiraten... Fließen denn nun die Flüsse aufwärts?
Verkauft
Als die Verlobung beschlossen wurde, war der Bräutigam nicht anwesend, denn er weilte auf seinen Landgütern. Sein Name sagte Ramis gar nichts. Der Herzog de Sourges. Was er wohl dazu sagte, sie heiraten zu müssen? Sie hatte selbst gespürt, welcher Druck ausgeübt worden war. Welcher der hier lebenden Adligen konnte sich schon dem König widersetzen und damit ins gesellschaftliche Nichts stürzen? Nicht umsonst hatte Louis seine Höflinge seinerzeit an einem Fleck zusammengetrieben, wo er sie bestens überwachen konnte.
An den wärmeren Abenden des Mais wurden bereits einige Feste wieder draußen gefeiert. An diesem war ein rauschender Ball geplant. Ramis hatte vom König ein Geschenk zur Verlobung erhalten, aber auch, so schien es ihr, als Belohnung, weil sie sich letztendlich in seine Pläne eingefügt hatte. Es war eine hinreißende Ballrobe in Grün und Gold, das Mieder mit Perlen besetzt. Nie glaubte sie ein schöneres Kleid gesehen zu haben, denn dieses gehörte ihr. Auch wenn es einem Tauschpfand für ihre Freiheit glich, befühlte Ramis hingerissen den feinen Stoff mit den zarten Rüschen und Stickereien. Als Henriette, Ramis Zofe, ihre Herrin für die Festlichkeiten herrichtete, gab sie sich besondere Mühe. Sie half Ramis in ihre neue Robe und steckte ihr die Perücke zu einem kleinen Turm auf, ließ aber einige Löckchen scheinbar nachlässig herunterhängen. Um den Hals wurde ihr eine zarte Perlenkette gelegt, ein Geschenk des Marquis. Weiterhin befestigte Henriette eine weiße Blüte in der Frisur, was derzeit der letzte Schrei war. Gegen Abend war sie endlich fertig.
Adélaide hielt sich im Zimmer ihres Gönners auf, so hatte Ramis die Räume für sich allein. Henriette brachte ihr den Spiegel. Eigentlich hatte Ramis gedacht, nichts könne sie mehr überraschen. Als sie jedoch in den Spiegel blickte, hielt sie den Atem an. Ihr Gesicht zeigte eine Perfektion, die sie nie vermutet hätte. Mit der Schminke fand sie ihre Augen fast zu lasziv. Ihre Haut war so milchig weiß, als wäre sie nie von der Sonne verbrannt gewesen und ihr Mund so rot wie Kirschen. Diese Frau, die dort vor dem Spiegel stand, war beinahe schön.
"Und was sagt Ihr dazu, Madame?" , erkundigte ihre Zofe sich stolz.
"Ihr habt ein Wunder vollbracht!" , lobte Ramis.
Die Wangen der jungen Frau röteten sich freudig. Es war immer ihr Ziel gewesen, eines Tages eine der edlen Damen zu ihrer Vollkommenheit zu verhelfen und jetzt hatte sie diese Stellung bekommen. Es klopfte an der Tür.
"Herein!" , rief Ramis.
Adélaide kam hereingeschneit. Verblüfft blieb sie stehen.
"Anne, seid Ihr das?" , rief sie aus. "Ihr seid wunderschön !"
Ramis lächelte. Sie bekam so selten Schmeicheleien zu hören und die waren meistens unehrlich. Heute konnte sie sie eher glauben. Aber ihre Freundin sah selbst sehr schön aus, strahlend wie die Sonne.
"Neb en Euch verblassen alle anderen", gestand Adélaide Ramis zu. "Ihr seht wie eine Königin aus, die ein tragisches Geheimnis hütet. Ich sollte wohl aufpassen, dass mein hübscher Geoffroi mir nicht davonläuft!"
Geoffroi war ihr poetischer Verehrer. Als die beiden Frauen sich ausreichend begutachtet und gelobt hatten, machten sie sich auf zum Festplatz.
Es wurde schon dunkel und man hatte Lampions aufgehängt und Lichter aufgestellt, die sich geheimnisvoll im Wasser der vielen Becken
Weitere Kostenlose Bücher