Dunkle Häfen - Band 2
mit ihr zu tun haben, seit sie ihm ihre Schwangerschaft gestanden hatte. Weil sie auch ihren jungen Liebhaber, der der Vater des Ungeborenen war, wie Adélaide ihrer Freundin anvertraute, nicht ehelichen konnte, trat sie mit einem alten Witwer, einem Grafen, vor den Traualtar. Die Gründe nannte sie nicht. Vermutlich aber das Geld. Sie wollte Ramis als Brautjungfer bei der Hochzeit haben und so kam es, dass die Braut und ihre Jungfer in weiten Kleidern erschienen, die ihren Zustand keineswegs verbargen. Die Leute kicherten und tratschten, weil die beiden Damen doch eigentlich jungfräulich erhalten dort vor dem Altar stehen sollten.
Ramis sah zu, wie sich zwei völlig Fremde das Eheversprechen gaben. Der Graf war wirklich alt und sein Gesicht hart. Er wirkte nicht, als hätte er viel Humor und war sehr unfreundlich zu Ramis, als Adélaide sie vorstellte. Ramis fragte sich, warum so ein Mann eine Frau mit einem Kind heiratete, das nicht von ihm war. Mitfühlend beobachtete sie Adélaide, die unter der Maske eines strahlenden Lächelns müde und abgekämpft schien. Ja, sie hatte sich und ihr Kind vor einem Skandal bewahrt, doch zu welchem Preis? Sie wurde an einen alten Mann gefesselt, der Preis der Unachtsamkeit. R amis glaubte nicht, dass der Erhalt des gesellschaftlichen Ansehens das wert war. Doch sie war sich nicht sicher, ob sie sich in Adélaides Lage versetzen konnte. Sie selbst war immer eine von der Gesellschaft Verstoßene gewesen, man nahm grundsätzlich nur das Schlimmste über sie an. Schließlich war sie zuerst Sklavin, dann Mörderin und Bedienstete in einem Bordell und schließlich Piratin gewesen. Selbst jetzt, wo sie rechtschaffen verheiratet war, warf man ihr noch Verderbtheit vor.
Die beiden werdenden Mütter nahmen schnell an Breite zu. Schon seit einer Weile zeigten sie sich nicht mehr am Hof. Wann immer es ging und Adélaides Mann es nicht verbot, trafen sie sich. Tatsächlich drohte der Graf schon kurz nach der Hochzeit, dass er es seiner Frau verbieten würde, zu 'solchen Leuten' wie den De Sourges zu gehen. Doch Adélaide ließ es sich nicht nehmen, zu Ramis zu kommen. Die Zeit verlief verhältnismäßig friedlich. Trotzdem fürchteten sie sich auch vor der Niederkunft. Sowohl Mutter wie auch Kind waren einem hohen Risiko ausgesetzt, bei der Geburt oder kurz danach zu sterben. Ramis war zudem aus dem Alter heraus, in dem man eine leichte Geburt vorhersagte, deshalb schlich sich Besorgnis in ihr Herz. In ihrem Bauch fühlte sie das Baby treten und wurde ständig an William erinnert - und an ihre allererste Schwangerschaft. Zuerst war ihr der Marquis deshalb eine willkommene Abwechslung, doch der ging soweit, dass man ihn fast aus dem Haus werfen musste, um ihn loszuwerden, so dass er nicht auch des Nachts an ihrem Bett wachte. Erst als der Herzog ein ernstes Wörtchen mit ihm redete, besserte er sich. Er solle gefälligst auch den Ruf des Ungeborenen und seiner Mutter denken, bläute Guillaume dem Marquis ein. Von da an verhielt der sich diskreter.
"Er wird Euch eines Tages samt Kind mit Haut und Haaren auffressen!" , spöttelte Adélaide und Ramis war das sehr peinlich.
Anfang Januar bekam Ramis ihre Wehen. Sofort ließ die treue Henriette den Herzog benachrichtigen, der eine Hebamme und zur Sicherheit einen Arzt rief. Letzterer war nur zur Vorsorge, falls doch Komplikationen auftraten. Zu aller Erleichterung wurde es eine komplikationslose Geburt. Nachher hielt Ramis erschöpft das neue Leben in ihrem Arm. Tränen rannen ihr über die Wangen, aber ein Teil von ihr weigerte sich beharrlich zu begreifen.
"Es ist ein Mädchen ", strahlte die zufriedene Hebamme.
Ramis betrachtete ihr Kind. Es war ganz rot, weil es so schrie. Offensichtlich behagte ihm diese Welt noch nicht.
"Ich werde für dich sorgen ", flüsterte sie ihm zu.
Nun ließ man auch den Herzog herein. Leicht nervös trat er ans Bett. Unschlüssig schaute er auf sie hinunter.
"Wie wollt Ihr sie nennen?" , erkundigte er sich recht verlegen.
"Ich würde sie gerne Charlotte taufen lassen. Und Louise, zu Ehren unseres Königs."
Auch der Marquis hieß Louis mit Vornamen, fügte sie im Stillen hinzu, auch wenn sie ihn nicht so nannte.
"Das hört sich hübsch an."
Alle wandten sich erwartungsvoll dem Herzog zu. Der starrte das kleine Wesen an und zögerte einen Moment. Aber schließlich nahm er es aus den Armen der Hebamme entgegen und erkannte es als sein Kind an. Dieses hielt ganz still und machte keinen
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