Dunkle Herzen
schwer zu glauben, daß er der einzige war. Weißt du, Clare, satanische Kultgruppen schließen sich aus mehreren Gründen zusammen. Ihr Hauptziel ist das Erlangen von Macht. Macht erfordert Geld. Irgend jemand hat mit diesem Geschäft fünfhundert Dollar pro Morgen Land verdient. Wart ihr in finanziellen Schwierigkeiten, als dein Vater anfing zu trinken?«
»Nein, die Firma stand ausgezeichnet da. Es wurde davon gesprochen, mit der ganzen Familie Urlaub in Europa zu machen, und mein Vater hatte für Blair und mich einen Collegefonds eingerichtet, mit einem hübschen Sümmchen darin. Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Kinder merken es, wenn ihre Eltern Geldsorgen haben. Meine hatten keine.«
»Und trotzdem hat dein Vater wegen dieses einen Geschäftes seine Firma, seinen guten Ruf und die Sicherheit seiner Familie aufs Spiel gesetzt, obwohl er nie zuvor unehrlich gehandelt hatte. Warum gerade da?«
Clare sprang auf. »Glaub mir, diese Frage habe ich mir über Jahre hinweg immer wieder gestellt. Es ergibt einfach keinen Sinn.«
»Vielleicht hatte er andere Gründe als nur persönliche Bereicherung. Vielleicht wurde Druck von außen auf ihn ausgeübt. Vielleicht hatte er gar keine andere Wahl.«
»Cam, ich bin dir wirklich dankbar für das, was du sagst und tust. Aber würdest du genauso denken, wenn es sich um den Vater von jemand anderem handeln würde?«
Diese Frage hatte er sich bereits selbst gestellt und beantwortet. »Ja. Weil die Fakten nicht zusammenpassen.« Sein Blick folgte ihr, als sie durchs Zimmer tigerte. »Ich werde
dir sagen, wie ich mir die Sache vorstelle. Dein Vater hat sich von irgendeiner obskuren Sekte einwickeln lassen, vielleicht, weil er sich gegen seine erzkatholische Erziehung auflehnen wollte, vielleicht auch nur aus Neugier. Jedenfalls steckte er bis über beide Ohren da drin. Irgend etwas brachte ihn dann dazu, auszusteigen, und er wandte sich wieder seinem alten Glauben zu. Aber aus solchen Vereinigungen kann man nicht so ohne weiteres aussteigen, weil man Namen und Gesichter und Geheimnisse kennt. Also tat dein Vater auch weiterhin, was ihm befohlen wurde, und suchte Trost in der Flasche.«
»Du kommst immer wieder auf diesen Kult zu sprechen.«
»Das ist die Wurzel allen Übels. Du, Clare, siehst vor zwanzig Jahren etwas, was nicht für deine Augen bestimmt ist. Einige Jahre später inszeniert dein Vater einen großangelegten Schwindel, der – wie alle, die ihn kannten, bestätigt haben – seinem Charakter völlig zuwiderlief. Kurz darauf stirbt er, und man schiebt ihm allein die Verantwortung in die Schuhe. Zu diesem Zeitpunkt ist Parker hier Sheriff, was die ganze Sache sehr erleichtert.«
»Parker? Du meinst, Parker hat da auch mit dringehangen?«
»Ich denke, er hat bis zu seinem fetten Hals in dem Mist mit dringesteckt. Vielleicht hat ihm sein Gewissen keine Ruhe gelassen, vielleicht hat er auch nur mit dem Schwanz statt mit dem Kopf gedacht, jedenfalls erzählt er Sarah Hewitt Dinge, die er besser für sich behalten hätte. Dann kriegt er Bammel, packt seine Siebensachen zusammen und gibt seinen gemütlichen Job, sein Heim und jegliche Sicherheit auf. Ein paar Monate später ist er tot.«
»Tot? Du hast mir nie gesagt, daß er tot ist.«
»Ich sage es dir jetzt. Was ist seitdem passiert? Ein junges Mädchen hält ein paar Meilen außerhalb der Stadt den falschen Wagen an, und jetzt ist sie tot. Jemand tötet Biff und deponiert den Leichnam der Kleinen in seinem Feld, damit es so aussieht, als sei er allein für ihren Tod verantwortlich. Er kann sich ja nicht mehr verteidigen. Lisa MacDonald
wird tätlich angegriffen. Sarah Hewitt verschwindet, nachdem sie mir gegenüber einige Andeutungen über Parker fallenläßt.«
»Und die Bücher«, murmelte Clare.
»Ja, die Bücher. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dein Vater und Biff ohne Grund den gleichen Lesestoff bevorzugten.«
»Nein«, erwiderte sie schwach. »Ich mir auch nicht.«
»Und wenn sie beide darin verwickelt waren, gibt es auch noch andere. Carly Jamison wurde ermordet, Clare. Ich glaube nicht, daß sie die erste war, und ich habe furchtbare Angst, daß sie auch nicht die letzte sein wird.«
Wortlos ging Clare zu ihrer Tasche hinüber, kramte einen Zeichenblock hervor und reichte ihn Cam. »Diese Zeichnungen habe ich heute nachmittag gemacht.«
Cam schlug den Block auf. Das erste Blatt zeigte das Bild von Gestalten in langen Gewändern, die einen Kreis bildeten. Sie wirkten beinahe ehrerbietig.
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