Dunkle Herzen
Zeiten willen tun konnte, sagte sich Bob – obwohl er nur ein einziges Mal mit Clare ausgegangen war. In der Nacht, in der ihr Vater starb. Außerdem gehörte es für ihn
zum Service, einem Kunden, der fünfzehnhundert Dollar bar auf den Tisch des Hauses gelegt hatte, die Ware zu liefern. »Ich helf’ dir, die Sachen reinzutragen.« Er zog die Hose über seinen Schmerbauch und hob einen ausziehbaren Tisch aus dem Wagen. »Ein wirklich schönes Stück hast du da ergattert. Wenn du ihn ein bißchen aufpolierst, wird dich jeder darum beneiden.«
»Mir gefällt er so, wie er ist.« Der Tisch war zerkratzt und angeschlagen und würde nur an Charakter verlieren, wenn sie ihn mit Politur behandelte. Clare hievte einen Stuhl mit leiterförmiger Rückenlehne, dessen binsengeflochtene Sitzfläche schon arg abgewetzt war, ins Freie. Ferner hatte sie noch ein passendes Gegenstück dazu, eine eiserne Stehlampe mit fransenbesetztem Schirm, einen Teppich mit ausgeblichenem Blumenmuster und ein riesiges Sofa erstanden.
Erst trugen sie die leichteren Gegenstände ins Haus, dann packten beide gemeinsam den Teppich und schleppten ihn hinein, wobei sie eifrig über alte Freunde schwatzten. Bob japste bereits nach Luft, als sie zum Auto zurückgingen, um das rote Brokatsofa in Augenschein zu nehmen.
»Ein tolles Ding. Ich liebe diese geschnitzten Schwäne in den Armlehnen.«
»Das wiegt bestimmt eine Tonne«, erwiderte Bob. Er wollte gerade wieder auf den Laster klettern, als er Ernie entdeckte, der auf der anderen Straßenseite herumlungerte. »Hey, Ernie Butts, was treibst du da?«
Ernie verzog grämlich den Mund und schob die Hände in die Hosentaschen. »Nichts.«
»Dann setz deinen Arsch in Bewegung und pack mit an. Der Kerl ist mir unsympathisch«, flüsterte Bob Clare zu, »aber er hat junge Muskeln.«
»Hi.« Clare lächelte Ernie gewinnend an, als er auf sie zuschlenderte. »Ich bin Clare.«
»Yeah.« Er konnte ihr Haar riechen, es duftete frisch, sauber und irgendwie erregend.
»Komm rauf und hilf mir, dieses Ding auszuladen«, befahl Bob, auf das Sofa deutend.
»Ich faß’ mit an.« Mit einem Satz sprang Clare neben Ernie auf die Ladefläche.
»Nicht nötig.« Noch ehe sie zupacken konnte, hatte Ernie das Sofa schon an einem Ende hochgehoben. Die Muskeln an seinen dünnen Armen spannten sich unter der Haut, und sofort schwebte Clare das Abbild dieses Arms, aus dunklem Eichenholz geformt, vor. Sie sprang zur Seite, als Ernie und der keuchende, vor sich hinfluchende Bob das Sofa mit vereinten Kräften ins Haus verfrachteten, wobei Ernie rückwärts ging, die Augen stets auf seine Füße geheftet.
»Stellt es einfach mittendrin ab.« Clare lächelte, als das Möbelstück mit einem dumpfen Knall auf dem Boden landete.
Das war ein gutes Geräusch – es bedeutete, daß sie sich langsam ein Heim schuf. »Wunderbar, vielen Dank. Wollt ihr zwei jetzt einen kühlen Drink?«
»Aber nur einen auf die Schnelle«, meinte Bob. »Ich muß nach Hause.« Er nickte Clare freundlich zu. »Sonst wird Bonny Sue noch eifersüchtig.«
Clare grinste. Bobby Meese und Bonny Sue Wilson, dachte sie. Kaum zu glauben, daß die beiden seit sieben Jahren verheiratet waren und drei Kinder hatten.
»Ernie?«
Er hob die mageren Schultern. »Warum nicht?«
Sie lief rasch in die Küche und brachte drei eisgekühlte Flaschen Pepsi. »Wegen der Kommode sag’ ich dir noch Bescheid, Bob.«
»Mach das.« Bob kippte seine Pepsi hinunter, ehe er sich zum Gehen wandte. »Wir haben morgen von zwölf bis fünf geöffnet.«
Clare brachte ihn hinaus, dann drehte sie sich zu Ernie um. »Tut mir leid, daß du in die Sache reingezogen worden bist.«
»Schon gut.« Er nahm einen tiefen Schluck und blickte sich dann im Zimmer um. »Mehr Möbel haben Sie nicht?«
»Im Moment noch nicht. Mir macht es Spaß, hier und da ein Stück aufzutreiben. Eigentlich könnten wir das Sofa ja
mal ausprobieren.« Clare ließ sich in die Kissen sinken. »Herrlich weich«, seufzte sie. »Genau wie ich es mag. Sag mal, wohnst du schon lange hier?«
Anstatt sich zu setzen, strich Ernie ruhelos durch den Raum. Auf Clare wirkte er wie ein Kater, der sein Revier absteckt. »Seit ein paar Jahren.«
»Gehst du auf die Emmitsboro High?«
»Ich bin im letzten Jahr.«
Es juckte sie in den Fingern, ihren Skizzenblock zu zükken. Jede Faser im Körper des Jungen vibrierte förmlich vor Spannung – er strahlte eine trotzige, jugendliche Unruhe aus, die sie faszinierte. »Willst
Weitere Kostenlose Bücher