Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
sein.
Männer lügen immer. Sie sind niemals treu.
Roz stand noch an derselben Stelle, an einem sanften Hang am Rand des Wäldchens. Doch das Gartencenter war verschwunden. Stattdessen lagen dort Felder in winterlicher Kargheit, mit kahlen Bäumen, und die Luft war schneidend kalt.
»Nicht alle Männer«, sagte Roz leise. »Nicht immer.«
Ich habe mehr gekannt als du.
Sie kam über die Felder, körperlos wie der Nebel, der sich auszubreiten begann, ein flaches Meer über dem bloßen, schwarzen
Boden. Ihr weißes Gewand war schmutzig, ebenso wie ihre nackten Füße. Ihr wirres Haar hing in fettigen goldenen Strähnen um ein Gesicht, aus dem der schiere Wahnsinn leuchtete.
Die Angst überfiel Roz wie ein plötzlicher heftiger Sturm. Doch sie stemmte die Füße in den Boden. Sie würde das durchstehen.
Das Tageslicht war verschwunden. Schwere Wolken rollten über den Himmel, überzogen das Blau mit Schwarz, einem Schwarz mit einem Hauch von bedrohlichem Grün.
»Ich habe schon länger gelebt als du«, sagte Roz, und obwohl sie unwillkürlich schauderte, als Amelia näher kam, wich sie nicht zurück.
Und hast so wenig gelernt. Du hast alles, was du brauchst. Ein Zuhause, Kinder, eine Arbeit, die dich befriedigt. Wozu brauchst du einen Mann?
»Nur die Liebe zählt.«
Ein Lachen ertönte, ein spuckendes Gurgeln, das an Roz’ Nerven zerrte. Die Liebe ist die größte Lüge. Er fickt dich, er benutzt dich, und dann belügt und betrügt er dich. Er wird dir wehtun, bis du ausgehöhlt und leer bist, verschrumpelt und hässlich. Und tot.
Mitleid regte sich unter Roz’ Furcht. »Wer hat dich verraten? Wer hat dich so weit gebracht?«
Alle. Sie sind alle gleich. Sie sind die Huren, auch wenn sie uns so nennen. Sind sie nicht zu mir gekommen und haben ihre Schwänze in mich gerammt, während ihre Ehefrauen allein in ihren keuschen Betten schliefen?
»Haben sie dich gezwungen? Haben …«
Und dann nehmen sie dir weg, was dir gehört. Was mir gehört hat!
Sie rammte Roz beide Fäuste in die Magengrube, und die Wucht ihrer Raserei, ihres Kummers und ihres Zorns ließ Roz zwei Schritte zurücktaumeln.
Dann kam der Sturm, fuhr aus dem Himmel herab, brach
aus dem Boden hervor, wirbelte durch den Nebel und die verschmutzte Luft. Er verstopfte Roz’ Lungen, als würde sie Schlamm einatmen.
Und sie hörte die irren Schreie durch diesen Sturm.
Töte sie alle! Töte sie alle im Schlaf. Hack sie in Stücke, bade in ihrem Blut. Hol zurück, was mir gehört. Zur Hölle mit ihnen, zur Hölle mit ihnen allen!
»Sie sind nicht mehr da. Sie sind zu Staub geworden.« Roz versuchte zu rufen, doch sie brachte die Worte kaum heraus. »Bin ich allein noch übrig?«
Der Sturm hörte ebenso plötzlich auf, wie er begonnen hatte, und die Amelia, die in der darauf folgenden Ruhe dastand, war eine, die Kindern Schlaflieder vorsang. Traurig und blass in ihrem grauen Kleid.
Du gehörst mir. Mein Blut. Sie streckte eine Hand aus, und etwas Rotes schoss ihr in die Handfläche. Mein Gebein. Aus meinem Leib, aus meinem Herzen. Gestohlen, fortgerissen. Finde mich. Ich bin so verloren.
Dann war Roz allein, stand auf dem federnden Grasboden am Rand des Wäldchens, und ihr zu Füßen erstreckte sich, was sie aufgebaut hatte.
Sie ging zurück an die Arbeit, weil Arbeit sie beruhigte. Nur indem sie etwas Vertrautes tat, etwas, wodurch ihre Hände beschäftigt waren, konnte sie sich dazu bringen, darüber nachzudenken, was am Rand des Wäldchens geschehen war. Das Erstaunliche zu begreifen.
Sie blieb bewusst für sich, weil das Alleinsein ihr gut tat.
Im Laufe des Nachmittags teilte sie weitere Mutterpflanzen, setzte Stecklinge zum Anwurzeln ein. Wässerte, düngte, etikettierte.
Als sie fertig war, ging sie durch das Wäldchen nach Hause und plünderte ihr privates Gewächshaus. Sie pflanzte Blumenrohr an eine Stelle, die sie hervorheben wollte, Rittersporn und
Primeln, um eine Ecke hübscher zu gestalten. In den Schatten setzte sie zur Aufheiterung weitere Schellenblumen und Storchschnabel.
Sie selbst, dachte sie, konnte hier stets ihre heitere Gelassenheit finden, im Garten, in der Erde, im Schatten von Harper House. Unter dem klaren blauen Himmel kniete sie auf dem Boden und betrachtete prüfend, was ihr gehörte.
Es war so hübsch mit seinen gelben Steinen, dem funkelnden Glas, den bräutlich weißen Zierleisten.
Was für Geheimnisse waren in jenen Räumen, in jenen Wänden gefangen? Was lag begraben in dem Boden, den sie
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