Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
so keck ab wie früher. Sie konnte dankbar sein, dass sie klein waren und nicht zu sehr herunterhingen. Noch nicht.
Während sie sich über den Zustand ihrer Hände nicht allzu viele Gedanken machte – sie waren schließlich ihre Werkzeuge –, achtete sie sehr auf ihre Haut. Sie konnte all die Falten nicht verhindern, doch sie verwöhnte ihre Haut, wann immer sie konnte.
Da sie außerdem nicht gewillt war, grau meliertes Haar zu tragen, ergriff sie auch dagegen geeignete Maßnahmen. Dass sie auf die Fünfzig zuging, bedeutete noch lange nicht, dass sie sich
nicht auf die Hinterbeine stellen und versuchen konnte, den Schaden zu begrenzen, den die Zeit unerbittlich anrichtete.
Früher war sie schön gewesen. Als junge Braut, frisch, unschuldig und strahlend glücklich. Mein Gott, wenn sie heute diese Bilder anschaute, war es beinahe, als betrachtete sie eine Fremde.
Wer war dieses reizende junge Mädchen gewesen?
Fast dreißig Jahre, dachte sie. Und sie waren im Handumdrehen vergangen.
Wie lange war es her, dass ein Mann sie angeschaut und ihr gesagt hatte, sie sei schön? Bryce hatte das getan, gewiss, doch er hatte ihr alle möglichen Lügen aufgetischt.
Mitch dagegen hatte es fast beiläufig gesagt, ganz lässig. Das machte es leichter zu glauben, dass er es ernst meinte.
Und warum war ihr das so wichtig?
Männer. Roz schüttelte den Kopf und trank noch einen Schluck Wein. Warum dachte sie über Männer nach?
Weil, stellte sie halb belustigt fest, weil sie niemanden hatte, mit dem sie ihre sexy Zehen teilen konnte. Niemanden, der sie anfasste, wie sie es gern hatte, wie es sie erregte. Niemanden, der sie nachts in den Armen hielt.
Sie war ohne all das ausgekommen und zufrieden. Doch hin und wieder fehlte ihr jemand an ihrer Seite. Und vielleicht fehlte ihr gerade jetzt jemand, gestand sie sich ein, weil sie sich eine Stunde lang mit einem attraktiven Mann unterhalten hatte.
Als das Wasser lau wurde, stieg sie aus der Wanne. Summend trocknete sie sich ab, cremte sich ein und vollzog ihr abendliches Ritual mit der Feuchtigkeitscreme. In ihren Bademantel gehüllt, betrat sie ihr Schlafzimmer.
Sie spürte die Kälte, noch bevor sie die Gestalt vor der Balkontür stehen sah.
Nicht Stella, diesmal nicht. Dort stand die Harper-Braut in ihrem schlichten grauen Kleid, gekrönt von ihren hellen Locken.
Roz musste einmal schlucken, dann sagte sie gelassen: »Es ist
eine ganze Weile her, seit du mich das letzte Mal besucht hast. Ich weiß, dass ich nicht schwanger bin; das kann also nicht der Grund sein. Amelia? Ist das dein Name?«
Sie bekam keine Antwort, hatte auch keine erwartet. Doch die Braut lächelte, nur den flüchtigen Hauch eines Lächelns, das gleich wieder verschwand.
»Also gut.« Roz rieb sich die Arme, um wieder warm zu werden. »Ich nehme an, das ist deine Art, mir mitzuteilen, dass du es gutheißt, wenn wir uns wieder an die Arbeit machen.«
Sie ging zurück ins Wohnzimmer und holte aus dem Schreibtisch einen Kalender, den sie im Laufe des vergangenen Winters zu führen begonnen hatte. Unter dem Datum dieses Tages trug sie ein, dass ihr die Geisterfrau erschienen war.
Mitchell Carnagie würde bestimmt erfreut sein, dass sie darüber Buch führte.
Drittes Kapitel
Mitchell war nie ein guter Gärtner gewesen, doch er hatte auch die meiste Zeit seines Lebens in Apartments gewohnt. Trotzdem mochte er den Anblick von Pflanzen und Blumen und bewunderte die Menschen, die damit umgehen konnten.
Rosalind Harper konnte das zweifellos.
Im vergangenen Juni hatte er einen Teil der Gärten auf ihrem Anwesen gesehen. Doch selbst deren anmutige Schönheit war angesichts seiner Begegnung mit der Harper-Braut verblasst. Er hatte immer daran geglaubt, dass der Mensch einen Geist hatte. Warum sonst hätten ihn Familiengeschichten, die Ahnenforschung, all die Wurzeln und Äste von Stammbäumen, so in ihren Bann gezogen? Er glaubte, dass ein Geist auf Generationen, möglicherweise sogar auf Jahrhunderte hinaus das Schicksal einer Familie beeinflussen konnte, ja, sich bestimmt darauf auswirkte.
Doch er hatte nie für möglich gehalten, dass dieser Geist greifbar, sozusagen leibhaftig vor einem stehen konnte.
Inzwischen wusste er es besser.
Für jemanden mit Mitchells Hang zu wissenschaftlichem Rationalisieren war es schwierig, so etwas Abstruses wie Geistererscheinungen zu schlucken.
Doch er hatte gespürt, und er hatte gesehen. Er hatte es selbst erlebt, und Tatsachen ließen sich nicht
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