Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
von Wurzelsubstrat und Feuchtigkeit und das Beobachten der einzelnen Entwicklungsstufen.
Auch hier musste man sich gegen Schädlinge und Probleme wappnen, ganz wie im richtigen Leben. Wenn sie Anzeichen von flaumigem Mehltau oder Rost bemerkte, knipste sie die befallenen Blätter ab und sprühte die Pflanzen ein. Sie überprüfte die Belüftung und korrigierte die Temperatur.
Alle Stecklinge, die Anzeichen von Fäulnis oder einem Virus aufwiesen, wurden systematisch entfernt und verworfen. Roz duldete keine Infektionen unter ihren Pflanzen, ebenso wenig wie in ihrem Leben.
Es beruhigte sie, zu arbeiten und sich an diese Prinzipien zu erinnern. Auch Bryce hatte sie abgeschnitten und verworfen
und damit ihr Leben von dieser Infektion geheilt. Vielleicht nicht ganz rechtzeitig; vielleicht war sie nicht wachsam genug gewesen, sodass sie selbst jetzt noch gezwungen war, aufzupassen und Kontrollen durchzuführen.
Doch sie war stark, und das Leben, das sie sich aufgebaut hatte, war robust genug, um mit diesen kleinen, ärgerlichen Angriffen fertig zu werden.
Mit diesem Gedanken schloss sie die Liste ihrer zu erledigenden Arbeiten für heute ab und machte sich auf die Suche nach Harper.
Als sie in sein Veredelungshaus schlüpfte, wusste sie, dass er sie nicht sofort bemerken konnte, weil die Pflanzen mit Beethoven berieselt wurden und die Musik, die Harper für sich selbst ausgewählt hatte, aus seinem Kopfhörer dröhnte.
Roz nahm sich einen Augenblick Zeit, ihn bei der Arbeit zu beobachten, einen Augenblick, bei dem ihr ganz warm ums Herz wurde. Altes Sweatshirt, noch ältere Jeans, schmutzige Stiefel – Harper musste heute immer wieder draußen im Freiland gewesen sein.
Er war vor Kurzem beim Friseur gewesen, sodass die schwarz glänzende Pracht ein wenig glatter und ordentlicher herabfiel. Roz fragte sich, wie lange das anhalten würde. So wie sie ihren Jungen kannte – und sie kannte ihn –, würde er wochenlang vergessen, sich zu kämmen, bis er sich schließlich ein Stück Gärtnerbast schnappte, um sich bei der Arbeit das Haar zurückzubinden.
Er war in Sachen Veredelung ein Experte, und so kreativ. Jeder ihrer Söhne hatte seine Begabungen, seine Neigungen – darauf hatte sie sehr geachtet –, doch nur Harper hatte ihre abgöttische Liebe zum Gärtnern geerbt.
Roz schritt zwischen den Tischen voller Pflanzen, Gartengeräten und Präparaten hindurch, um zuzusehen, wie Harper geschickt eine Zwergrose veredelte.
Als er damit fertig war und nach der Coladose griff, die stets in seiner Nähe stand, trat sie in sein Gesichtsfeld.
Sie sah, dass er den Blick auf sie richtete, während er trank.
»Gute Arbeit«, sagte sie. »Rosen machst du nicht oft.«
»Mit diesen experimentiere ich gerade. Ich dachte, wir könnten einen Bereich mit Zwergpflanzen in Containern einrichten. Ich arbeite gerade an einer Zwerg-Kletterpflanze und ein paar Bodendeckern. Magst du eine Cola?«
»Nein, danke.« Er war ihr so ähnlich, dachte Roz. Wie oft hatte sie diesen höflichen, unverbindlichen Ton schon aus ihrem eigenen Mund gehört, wenn sie verärgert war. »Ich weiß, dass du sauer auf mich bist, Harper.«
»Dazu besteht kein Grund.«
»Es geht nicht darum, ob es einen Grund gibt.« Roz wollte ihm über die Schultern streicheln und ihre Wange an seiner reiben. Doch er würde nur verkrampfen, so wie sie verkrampfen würde, wenn jemand sie anfasste, bevor sie dazu bereit war.
»Du ärgerst dich darüber, wie ich gestern Abend mit der Situation umgegangen bin. Darüber, dass ich dich nicht habe zum Zuge kommen lassen.«
»Deine Entscheidung.« Harper zuckte mit einer Schulter. »Und ich bin nicht wütend auf dich. Ich bin nur enttäuscht von dir, das ist alles.«
Hätte er sein Veredelungsmesser genommen und es ihr ins Herz gestoßen, hätte sie weniger Schmerz und Entsetzen empfunden. »Harper!«
»Musstest du so gottverdammt höflich sein? Konntest du ihm nicht das geben, was er verdient, anstatt mich abzuwimmeln und das Ganze nach draußen zu verlegen?«
»Was hätte das denn …«
»Es ist mir scheißegal, was es genützt hätte, Mama.« Das berüchtigte Harper-Temperament glomm in seinen Augen auf. »Er hätte es verdient gehabt, eine vor den Latz geknallt zu bekommen. Du hättest mich für dich eintreten lassen sollen. Aber nein, es musste ja alles nach deinem Kopf gehen, sodass ich untätig rumstand. Was soll also das Ganze?«
Am liebsten hätte Roz sich abgewandt, um sich einen Augenblick zu sammeln,
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