Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
hören. Manchmal war sie in
seinem Zimmer, manchmal draußen, und so ging es ihm auch in seinem Traum.«
»Damit wären Träume ein weiterer roter Faden. Haben Sie jemals welche gehabt?«
»Nein, jedenfalls nicht …«
»Was?«
»Ich dachte immer, es sind die Nerven. In den Wochen vor Johns und meiner Hochzeit habe ich viel geträumt. Von Stürmen, schwarzem Himmel, Donner und kaltem Wind. Von einem Loch im Garten, wie ein Grab, mit verwelkten Blumen darin.« Roz schauderte kurz. »Grauenhaft. Aber nach der Hochzeit hat das aufgehört. Ich habe die Träume verbannt.«
»Und seitdem?«
»Nichts. Nie mehr. Meine Großmutter hat Amelia häufiger gesehen als irgendjemand sonst, zumindest häufiger als die anderen es zugegeben haben. Im Haus, im Garten, im Zimmer meines Vater, als er noch klein war. Sie hat mir nie etwas erzählt, das mir Angst machte. So etwas hätte sie aber vielleicht auch verschwiegen. Von der ganzen Familie stand sie Amelia, soweit ich mich erinnere, am wohl wollendsten gegenüber. Aber, um ehrlich zu sein, die Geisterfrau war in unserem Haus nicht das Gesprächsthema Nummer eins. Es wurde einfach akzeptiert, dass sie da war, oder sie wurde ignoriert.«
»Sprechen wir also von dieser Blutsverwandtschaft.« Mitch zog die Brille aus der Tasche, um seine Aufzeichnungen zu lesen. »Die früheste Erscheinung, an die sie sich persönlich erinnern, hatte Ihre Großmutter, Elizabeth McKinnon Harper.«
»Das stimmt nicht ganz. Sie hat mir erzählt, ihr Mann hätte die Braut schon als Kind gesehen.«
»Damit hat sie Ihnen etwas erzählt, was ihr selbst erzählt wurde, nicht, was sie selbst gesehen oder erlebt hat. Doch wenn wir schon dabei sind, wissen Sie noch, ob Ihnen je irgendjemand von Erlebnissen der Generation vor Ihren Großeltern erzählt hat?«
»Hm … meine Großmutter sagte, ihre Schwiegermutter, also meine Urgroßmutter Harper, hätte sich geweigert, bestimmte Zimmer zu betreten.«
»Welche Zimmer?«
»Himmel, lassen Sie mich überlegen … Das Kinderzimmer, das damals im zweiten Stock lag. Das Elternschlafzimmer. Aus dem ist sie irgendwann ausgezogen, nehme ich an. Die Küche. Und ins Kutscherhaus hat sie keinen Fuß gesetzt. So wie meine Großmutter sie beschrieb, hatte sie keine blühende Fantasie. Es hat immer geheißen, sie hätte die Braut gesehen. Wenn es davor noch jemanden gegeben hat, weiß ich nichts davon. Aber das kann eigentlich nicht sein. Wir haben Amelia den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts zugeordnet.«
»Sie haben sie anhand eines Kleides und einer Frisur eingeschätzt«, sagte Mitch, während er mitschrieb. »Das reicht nicht ganz aus.«
»Mir kommt es aber vernünftig und logisch vor.«
Lächelnd sah Mitch auf. »Es kann auch stimmen. Vielleicht haben Sie Recht, aber ich hätte gerne ein paar mehr Informationen, bevor ich etwas als Tatsache anerkenne. Was ist mit Ihren Großtanten? Den älteren Schwestern von Reginald junior?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe keine von ihnen gekannt, oder ich erinnere mich nicht an sie. Und sie standen weder meiner Großmutter noch meinem Vater nahe. Meine Großmutter hat einmal versucht, Familienbande zwischen deren Kindern und meinem Vater zu knüpfen, die ja Cousin und Cousinen waren. Zu einigen ihrer Kinder habe ich noch Kontakt.«
»Ob wohl jemand von ihnen mit mir sprechen würde?«
»Die einen ja, die anderen nein. Manche sind bereits tot. Ich gebe Ihnen die Namen und Telefonnummern.«
»Von allen«, sagte Mitch. »Außer von den Toten. Ich kann sehr überzeugend sein. Schon wieder«, murmelte er, als der Gesang aus dem Babyfon durchs Zimmer tönte.
»Schon wieder. Ich schaue lieber mal nach Lily.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mitkomme?«
»Nein.« Sie gingen gemeinsam nach oben. »Höchstwahrscheinlich hört es auf, bevor wir dort sind. Das ist das übliche Muster.«
»Zwischen 1890 und 1895 gab es zwei Kindermädchen, drei Gouvernanten, eine Haushälterin, eine zweite Haushälterin, insgesamt zwölf Hausmädchen, eine Kammerzofe und drei Küchenmädchen. Ein paar der Namen habe ich ausgegraben, aber da in den Unterlagen keine Altersangaben stehen, muss ich wohl eine Menge Dokumente durchackern, bis ich die richtigen Leute gefunden habe. Im Falle eines Falles beginne ich mit den Sterberegistern und versuche, Nachkommen ausfindig zu machen.«
»Da haben Sie eine Menge zu tun.«
»Diese Arbeit muss man lieben. Sie haben Recht. Es hat aufgehört.«
Trotzdem gingen sie weiter
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