Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
aufs Neue. Man vergisst Einladungen zum Essen und Geburtstage, man stiehlt sich aus dem Bett – in dem man für seine Frau ohnehin nicht zu gebrauchen ist –, um nur noch schnell einen zu trinken, man schläft ein, wenn man auf sein eigenes Baby aufpassen soll. Man ist einfach nicht da, nicht ganz da. Zu keiner Zeit.«
»Das muss ziemlich hart sein, denke ich mir. Für alle Beteiligten.«
»Am härtesten für diejenigen, die man mit sich in den Abgrund zieht, glauben Sie mir. Ich wollte mit meiner Frau zu keiner Beratung gehen, weigerte mich, Gruppentreffen zu besuchen oder mit irgendjemandem über das zu reden, was in ihren Augen mein Problem war. Selbst dann noch, als sie mir sagte, sie werde mich verlassen, als sie ihre und Joshs Sachen packte und zur Tür hinausging. Mir fiel kaum auf, dass sie weg waren.«
»Das war unheimlich tapfer von ihr.«
»Ja, war es.« Mitch schaute Roz schärfer an. »Und ich schätze, eine Frau wie Sie versteht genau, wie tapfer es war. Ich habe noch ein ganzes Jahr gebraucht, bis ich unten angekommen war, bis ich mein Leben betrachtete und plötzlich gar nichts mehr sah. Bis mir klar wurde, dass ich das Kostbarste in meinem Leben verloren hatte, und dass es zu spät war, es jemals zurückzugewinnen. Dann bin ich zu den Treffen gegangen.«
»Auch dazu gehört Mut.«
»Mein erstes Gruppentreffen?« Mitch biss erneut in sein Sandwich. »Ich habe Todesängste ausgestanden. Ich saß ganz hinten im Raum, im Keller einer kleinen Kirche, und habe gezittert wie Espenlaub.«
»Eine gehörige Portion Mut.«
»Ich war drei Monate, zehn Tage und fünf Stunden trocken gewesen, als ich wieder zur Flasche griff. Habe mich wieder rausgekämpft, und diesmal war ich elf Monate, zwei Tage und fünfzehn Stunden nüchtern. Aber meine Frau wollte nicht zu mir zurück, verstehen Sie? Sie hatte jemand anders kennen gelernt, und sie konnte mir nicht mehr vertrauen. Das nahm ich als Entschuldigung, wieder zu trinken, und ein paar Monate habe ich regelrecht versoffen, bis ich wieder aus diesem Loch gekrochen bin.«
Mitch erhob seinen Kaffeebecher. »Im März ist das vierzehn Jahre her. Am fünften März. Sara hat mir verziehen. Sie ist nicht nur tapfer, sondern auch großzügig, und sie hat wirklich etwas Besseres verdient als das, was ich ihr geboten habe. Auch Josh hat mir verziehen, und in den letzten vierzehn Jahren bin ich ein guter Vater gewesen. Ich habe mir zumindest alle Mühe gegeben.«
»Ich glaube, man muss tapfer und ziemlich stark sein, um sich seinen Dämonen zu stellen, um mit ihnen fertig zu werden, und das jeden Tag aufs Neue. Und es ist großzügig und klug, sich selbst die Schuld zuzuschreiben, anstatt sie, zumindest teilweise, auf andere abzuwälzen.«
»Dass ich nicht mehr trinke, macht keinen Helden aus mir, Roz. Es macht mich nur nüchtern. Wenn ich mir jetzt bloß noch das Kaffeetrinken abgewöhnen könnte.«
»Da sind wir schon zu zweit.«
»Nachdem ich Ihnen nun ein Ohr abgequatscht habe, bitte ich Sie, mir den gleichen Gefallen zu tun und mir nach dem Essen das erste Interview zu geben.«
»In Ordnung. Wollen Sie das Ganze auf Band aufnehmen?«
»Ja, obwohl ich mir auch einige Notizen machen werde.«
»Dann könnten wir das vielleicht im Salon machen, wo es etwas gemütlicher ist.«
»Klingt gut.«
Roz schaute zunächst noch einmal nach Lily und nahm den ersten Anruf von Hayley entgegen. Während Mitch aus der Bibliothek holte, was er brauchte, zog sie den Servierwagen mit dem frischen Obst – David vergaß nie etwas –, Brie und Cheddarkäse hervor, dazu die Kräcker, die er in der Speisekammer aufbewahrte.
Gerade als sie den Wagen zum Salon rollte, tauchte Mitch hinter ihr auf. »Lassen Sie mich das machen.«
»Nein, das geht schon. Aber Sie könnten Feuer machen. Ein Feuer wäre schön. Es ist kalt heute Abend, aber Gott sei Dank klar. Es wäre mir ganz furchtbar, wenn meine Häschen nachher auf dem Weg zurück in den Stall über rutschige Straßen fahren müssten.«
»Das Gleiche habe ich von meinem Jungen vorhin auch gedacht. Das hört nie auf, oder?«
»Nein.« Roz stellte Essen und Kaffee auf den Tisch, setzte sich aufs Sofa und legte automatisch die Füße auf den Tisch. Dann starrte sie überrascht ihre eigenen Füße an. Es war eine Angewohnheit, die sie von sich kannte, doch normalerweise tat sie das nicht, wenn sie Gäste hatte. Sie blickte auf Mitchs Rücken, als er vor dem Kamin hockte, um Anmachholz anzuzünden.
Vermutlich bedeutete dies,
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