Dunkle Sehnsucht des Verlangens
Männer, doch jetzt war sie offenbar fest
entschlossen, sich in Nebel aufzulösen und aus dem offenen Fenster zu fliehen.
Ungerührt streckte Barack den
Arm aus und griff nach Syndils langem Haar, ehe sie verschwinden konnte. »Das
glaube ich kaum, Syndil. Du hast noch nicht einmal vorher die Gegend
kontrolliert, sonst wären dir die dunklen, leeren Flecke aufgefallen, die nur
eines bedeuten können: Etwas Bedrohliches befindet sich ganz in unserer Nähe.«
Syndil wurde wieder sichtbar und
stieß einen kaum hörbaren Protestlaut aus. »Aber hörst du denn nicht, dass die
Erde nach mir ruft? Ich kann diesen Hilfeschrei nicht ignorieren«, entgegnete
sie leise. »In diesem Fall kann ich auf keine Bedrohung Rücksicht nehmen.
Schließlich ist es eure Aufgabe, die Gefahren auszuschalten.«
Barack wickelte sich einige
Strähnen ihres seidigen Haars ums Handgelenk. »Ich weiß nur, dass du dich schon
wieder in Gefahr begibst. Mein Herz hält das kein zweites Mal aus.«
»Ich höre die Schreie der
verwundeten Erde, der verbrannten Bäume. Wir können nicht weiterfahren. Erst
muss ich der sterbenden Natur helfen«, beharrte Syndil. »Es ist meine
Bestimmung, Barack.« In solchen Augenblicken war es Syndil gleichgültig,
welche Einwände die anderen erheben mochten. Wenn die verwundete Erde nach ihr
rief, musste sie dem Ruf folgen und sie heilen.
Dayan seufzte leise und gab
widerwillig Syndils Wunsch nach. Langsam bog er in die kleine Seitenstraße ein,
die in die Berge hinaufführte. Es schien sich um eine alte Holzfällerstraße zu handeln.
Barack protestierte zwar nicht länger, ließ jedoch auch Syndils Haar nicht
los, um wenigstens dafür zu sorgen, dass sie nicht einfach davonrannte. Der Bus
fuhr um eine Kurve, und im nächsten Augenblick starrte Desari entsetzt auf das
Bild der Zerstörung, das sich ihr bot.
Die gesamte Westseite des Berges
lag verwüstet vor ihnen. Vorsichtig fuhr Dayan an den Straßenrand und hielt den
Bus an. Er hatte keine Wahl. Syndil war aufgestanden, ohne Baracks festen
Griff zu bemerken. Barack seufzte und erhob sich ebenfalls. Widerstrebend gab
er Syndils Haar frei. Desari sah zu, wie ihre Freundin die Tür des Busses
aufstieß. Sie kannte Syndils Gesichtsausdruck genau. Jedes Mal, wenn sie auf
einen solchen Ort stießen, drückten Syndils schöne Züge tiefe Trauer aus.
Julian runzelte die Stirn. Ihm
gefielen die dunklen Flecken in der Atmosphäre überhaupt nicht. Fassungslos
blickte er von einem Mann zum anderen, da er kaum glauben konnte, dass sie
tatsächlich einer ihrer Frauen gestatteten, angesichts einer so offensichtlichen
Bedrohung draußen herumzulaufen. Desari legte ihm leicht die Hand auf den Arm
- eine stumme Warnung, sich nicht einzumischen. Er warf einen flüchtigen Blick
auf ihre Hand und sah dann Darms an. Wie immer war die Miene des Mannes
undurchdringlich. Darius suchte auf telepathischem Weg die Umgebung nach Gefahren
ab. Der Untote war dort draußen. Er spürte es. Alle Männer spürten es, und
dennoch versuchte keiner von ihnen, Syndil aufzuhalten.
Schließlich übernahm Barack die
Initiative, wie so oft in letzter Zeit, wenn es um Syndil ging. Gleichmütig
zuckte er die Schultern und folgte ihr. Syndil bahnte sich bereits einen Weg
über den aufgeworfenen, verkohlten Boden, während zwischen ihren Händen ein
eigenartiges, faszinierendes Muster in der Luft entstand. Nachdenklich warf
sie Barack einen Blick über die Schulter zu.
»Hörst du es auch, Barack? Der
Boden schreit vor Schmerzen. Das Feuer wurde absichtlich gelegt. Das Böse ist
hier gewesen.« Syndils Stimme war nur ein Flüstern, und doch konnten alle Karpatianer
sie dank ihres scharfen Gehörs verstehen.
»Was meinst du damit?«, fragte Barack.
»Es war kein sterblicher
Brandstifter.« Syndil hatte ihre Aufmerksamkeit bereits den verkohlten Bäumen
und der verwundeten Erde zugewandt. Die Gründe für diese Tragödie
interessieren sie nicht. Wenn die Männer sich mit einer so schrecklichen
Kreatur abgeben wollten, so war das ihr gutes Recht. Doch Syndil war eins mit
der Erde. Sie liebte den Waldboden, die Bäume und Berge. Die Natur hüllte sie
immer wieder in eine liebevolle Umarmung ein. Nichts und niemand hätte sie
davon abhalten können, ihrer geliebten Erde zu helfen.
Julian beobachtete, wie sich
Syndil hinunterbeugte und sanft den verkohlten Waldboden berührte. Er hätte
schwören können, dass sich selbst die schwärzesten Brocken unter ihren Händen
bewegten, als streckten sie sich
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