Dunkle Sehnsucht
bei Nadia zu landen, waren soeben von gering auf null geschrumpft. Ich war jedoch froh, dass sie am Leben war und nicht gegen ihren Willen festgehalten wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass ich be-fürchtet hatte, Mencheres würde schlechte Nachrichten über Apollyon überbringen, war das fast schon ein Grund, die Champagnerkorken knallen zu lassen, wenn wir derartige Getränke im Haus gehabt hätten. Timmie würde zwar un-tröstlich sein, aber Nadia hätte weit Schlimmeres zustoßen können. Sie hatte sich auf die Suche nach Vampiren gemacht und dabei offensichtlich weit mehr gefunden als den bloßen Beweis für ihre Existenz.
»Sind deine Quellen verlässlich? Besteht kein Zweifel daran, dass Nadia aus freien Stücken mit dieser Vampirin zusammen ist und nicht unter Hypnose bei ihr festgehalten wird?«
»Ich kenne die Vampirin«, antwortete Mencheres. »Es sähe Debra gar nicht ähnlich, eine Sterbliche durch Zwang an sich zu binden, nicht mal, wenn sie durch Schnüffelei von unserer Existenz erfahren hat. Sie hätte einfach Nadias Erinnerungen löschen und sie zurückschicken können.«
»Es sei denn, Nadia ist wie ich«, mischte Kira sich grinsend ein. »Meine Erinnerung konntest du ja auch nicht so einfach löschen, als wir uns begegnet sind.«
Auf ihre Bemerkung hin stieß Mencheres ein so leidenschaftliches Knurren aus, dass ich den Blick abwenden musste. »Aber am Ende ist doch etwas richtig Gutes dabei heraus-gekommen«, raunte er Kira zu.
Das leise Lachen, das ihr daraufhin entfuhr, sprach von Dingen, die besser ungesagt blieben. Im Grunde saßen die beiden einfach nur auf dem Sofa herum, aber die Atmosphä-
re, die sie umgab, war so aufgeladen, dass ich mir in meinem eigenen Haus fast wie eine Voyeurin vorkam. Ich wandte den Blick ab, um meine Fingernägel zu inspizieren, als hätte mich der plötzliche Wunsch nach einer Maniküre gepackt.
Aus dem Augenwinkel sah ich Bones in sich hineingrinsen.
Er wusste, wie unwohl ich mich fühlte, während ihn die Hitze, die von den beiden ausging, völlig ungerührt ließ. Bones war als Sohn einer Prostituierten in einem Bordell aufgewachsen, und wenn Mencheres und Kira jetzt vor seinen Augen übereinander hergefallen wären wie die Karnickel, hätte er sie vermutlich nur darauf hingewiesen, dass das Sofa, auf dem sie saßen, Gefahr lief umzukippen, wenn sie es zu wild trieben.
Falls Mencheres und Kira Lust verspürten, im Gästezim-mer eine Nummer zu schieben, konnten sie das auch gerne tun, aber hier unten musste ich ihnen die Stimmung versauen.
»Ist aber nicht nett von Nadia, einfach abzuhauen, ohne ihre Freunde wissen zu lassen, dass es ihr gut geht«, bemerkte ich mit einem Räuspern.
Mencheres zog seine Energie zurück, bis die Atmosphäre im Raum wieder jugendfrei war, statt an einen Softporno zu erinnern. »Debra hat sehr traditionelle Ansichten«, informierte er mich, während er sich von Kiras Anblick losriss und seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwandte. »Sie will sicher nicht, dass Nadia Kontakt zu Leuten aus ihrem alten Leben aufnimmt, erst recht nicht zu solchen, die die Existenz unserer Rasse öffentlich machen wollen.«
Ihr altes Leben. Mir entfuhr fast ein Schnauben. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, denn wer einmal mit der Welt der Vampire in Kontakt gekommen war, konnte nie mehr in ein normales Leben zurück.
Ich sah Bones' Profil an, sein lockiges Haar, die ausgeprägten Wangenknochen, dunklen Augenbrauen und Lippen, die markant genug waren, um männlich zu wirken und voll genug, um sinnlich zu sein. Auch mein Leben hatte sich von Grund auf verändert, seit ich in die Welt der Vampire einge-taucht war, aber ich wollte es nicht anders. Hoffentlich war Nadia in ihrer untoten Beziehung genauso glücklich wie ich in meiner.
»Ich rufe Timmie an und überbringe ihm die Nachricht«, sagte ich und stand auf.
»Der Ärmste hat wirklich Pech mit Frauen«, stellte Bones fest.
Als ich ihm in die braunen Augen sah, musste ich seit Tagen zum ersten Mal aufrichtig lächeln. »Er hat bloß noch nicht die Richtige kennengelernt, aber wenn es so weit ist, vergisst er alles, was davor war.«
Bones' Lächeln wurde verheißungsvoll, während seine Macht mich einzuhüllen begann wie ein sinnlicher Nebel.
»Stimmt«, pflichtete er mir mit tiefer, seidiger Stimme bei.
»Es lohnt sich über alle Maßen, auf die Richtige zu warten.«
Nun war es an Kira, die deutlich veränderte Atmosphä-
re im Raum mit einem Räuspern zu quittieren. Und
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